|  Die beschädigten 
                                  Reaktoren 3 und 4 des AKW Fukushima I
 Eine 
                                  gefährliche Technik  Windscale 
                                  1957, Three Mile Island 1979, Tschernobyl 1986, 
                                  Tokai Mura 2000 und jetzt Fukushima. Die Liste 
                                  der Unfälle in den Atomkraftwerken wird 
                                  ständig länger. Es geht einfach nicht 
                                  anders. Man muss keinen Doktorgrad in Physik 
                                  haben, um das zu verstehen. Ein Atomkraftwerk 
                                  funktioniert in etwa wie ein elektrischer Wasserkocher. 
                                  Der Widerstand in dem Kocher entspricht den 
                                  Brennstäben in dem Kraftwerk.  Wenn 
                                  in dem Kocher kein Wasser gibt und der Widerstand 
                                  heiß wird, tritt ein Problem auf. Das 
                                  gleiche passiert in dem Kraftwerk: Die Brennstäbe 
                                  müssen ständig in das Wasser, das 
                                  sie zum Erhitzen bringen, eingetaucht sein. 
                                  Der so erzeugte Dampf bewegt Turbinen, die Elektrizität 
                                  erzeugen. Das Kraftwerk verbraucht also große 
                                  Mengen Wasser, für deren Umlauf Pumpen 
                                  sorgen.  Wenn 
                                  die Pumpen versagen, gibt es nach einer gewissen 
                                  Zeit nicht genug Wasser, und die überhitzten 
                                  Stäbe werden beschädigt. Wird nicht 
                                  rasch Wasser nachgefüllt, wird die Hitze 
                                  durch die Reaktionen innerhalb der Brennstäbe 
                                  so hoch, dass diese schmelzen und auf den Boden 
                                  der Wanne (die dem Behälter des Kochers 
                                  entsprechen) fallen. Diese Wanne ist von einem 
                                  doppelten Schutzmantel umschlossen: dem Reaktor, 
                                  dessen charakteristische äußere Silhouette 
                                  aller Welt bekannt ist. Wenn der Mantel der 
                                  intensiven Hitze der schmelzenden Brennstäbe 
                                  nicht standhält und Risse bekommt, wird 
                                  Radioaktivität freigesetzt, mit allen tödlichen 
                                  Folgen.  Eine 
                                  anfällige Technik  Die 
                                  Reaktion, die in einem Atomkraftwerk stattfindet, 
                                  ist eine Kettenreaktion: Urankerne werden mit 
                                  Neutronen beschossen; durch Absorbieren eines 
                                  Neutrons spaltet sich ein Urankern in zwei Teile, 
                                  und dabei wird eine große Menge Energie 
                                  freigesetzt (dies ist die Kernspaltung); zugleich 
                                  setzt er weitere Neutronen frei, und jedes kann 
                                  die Spaltung eines weiteren Urankerns bewirken. 
                                  Ist die Reaktion erst einmal in Gang gesetzt, 
                                  kann sie von alleine weitergehen. Das einzige 
                                  Mittel, um sie (und die Temperatur) zu kontrollieren, 
                                  besteht darin, zwischen die Stäbe mit Brennstoff 
                                  Stäbe mit Legierungen zu schieben, die 
                                  Neutronen auffangen können, ohne dass eine 
                                  Spaltung der Materie in Gang kommt. Damit kann 
                                  der Reaktorkern wieder abgekühlt werden. 
                                  Doch erfordert dieses Abkühlen eine gewisse 
                                  Zeit. Die Brennstäbe müssen während 
                                  dieser Zeit von Wasser umschlossen sein, ansonsten 
                                  droht deren Überhitzung. Die 
                                  Atomkraftbefürworter wiederholen unablässig, 
                                  dass die Vorkehrungen ausgesprochen sicher sind, 
                                  vor allem weil die Pumpen in dem Fall, dass 
                                  das Stromnetz ausfällt, mit Notfallstromaggregaten 
                                  betrieben werden können. Der Unfall in 
                                  Fukushima zeigt, dass diese beruhigenden Äußerungen 
                                  nicht viel taugen: Wegen des Erdbebens haben 
                                  die Kraftwerke automatisch eine Kettenreaktion 
                                  in Gang gesetzt, wie sie unter solchen Umständen 
                                  vorgesehen ist. Also gab es keinen Strom für 
                                  den Betrieb der Pumpen mehr. Die Aggregate hätten 
                                  in Gang kommen sollen, aber leider waren sie 
                                  außer Betrieb, da sie durch den Tsunami 
                                  unter Wasser gesetzt worden waren. Es gab nicht 
                                  mehr genug Kühlwasser, die Brennstäbe 
                                  lagen auf einer Höhe von 1,40 bis über 
                                  3 Metern (bei einer Gesamtlänge von 3,71 
                                  m) frei. Die Überhitzung führte zu 
                                  einem Überdruck und zu einer chemischen 
                                  Reaktion, der Elektrolyse des Kühlwassers, 
                                  so dass Wasserstoff freigesetzt wurde. Die Techniker 
                                  haben dann Dampf abgelassen, um eine Explosion 
                                  des Behälters zu verhindern. Doch ist der 
                                  Wasserstoff anscheinend in dem Reaktor explodiert, 
                                  was zum Einsturz der Kuppel des Gebäudes 
                                  führte, der Dampf verbreitete sich in der 
                                  Umgebung. Dieses Szenario hat sich offenbar 
                                  in einem weiteren Reaktor wiederholt.  
                                  Wie in Tschernobyl  Die 
                                  Zufuhr von Süßwasser war wegen des 
                                  Tsunami unterbrochen, die Techniker nutzten 
                                  Wasser aus dem ganz nahe gelegenen Meer. Mehrere 
                                  US-amerikanische Spezialisten äußerten, 
                                  es handelte sich um einen „Verzweiflungsakt“. 
                                  Sie erinnere das an die vergeblichen Versuche, 
                                  das Schmelzen des Reaktors in Tschernobyl dadurch 
                                  zu verhindern, dass Angestellte des Kraftwerks 
                                  und heroische Freiwillige Sand und Beton auf 
                                  den Reaktor warfen, wofür sie mit dem Leben 
                                  bezahlen mussten. Die Radioaktivität, die 
                                  in einer Entfernung von 80 Kilometern des Fukushima 
                                  gemessen worden ist, liegt bereits über 
                                  400 Mal höher als die zugelassenen Werte. 
                                  Sechs mutige japanische JournalistInnen haben 
                                  sich mit Geigerzählern in das Rathaus von 
                                  Futaba begeben, das 2 km von dem Kraftwerk entfernt 
                                  ist: Dort war die Radioaktivität höher, 
                                  als mit manchen Apparaten zu messen war! Es 
                                  wird zur Zeit geschätzt, dass die BewohnerInnen 
                                  von Japan in einer Stunde die Dosis Radioaktivität 
                                  abbekommen, die für ein Jahr als hinnehmbar 
                                  betrachtet wird.  In 
                                  einem Kommuniqué des französischen 
                                  Netzwerks „Sortir du nucléaire“ 
                                  heißt es: „Solche Informationen 
                                  sprechen für ein dramatisch erhöhtes 
                                  Niveau von Radioaktivität in einem ausgedehnten 
                                  Umkreis um das Kraftwerk, die gesundheitlichen 
                                  Folgen sind mit Sicherheit sehr schwerwiegend.“ 
                                  Wir sollten nicht glauben, dass wir vor den 
                                  Niederschlägen geschützt sind: Der 
                                  Präzedenzfall Tschernobyl hat gezeigt, 
                                  dass eine radioaktive Wolke sehr weite Gebiete 
                                  kontaminieren kann. Alles hängt davon ab, 
                                  mit welcher Gewalt die Partikel in die Atmosphäre 
                                  gelangen. Im Fall einer sehr starken Explosion 
                                  können die radioaktiven Elemente bis in 
                                  die Höhe der „jet-streams“ 
                                  geschleudert werden, der in großer Höhe 
                                  wehenden kräftigen Winde. In diesem Fall 
                                  können sehr weit von Fukushima entfernte 
                                  Gebiete von den Niederschlägen betroffen 
                                  sein.  Zwei 
                                  beunruhigende Fragen  Die 
                                  Radioaktivität ergibt sich im wesentlichen 
                                  aus zwei Elementen: dem Jod 131 und dem Cäsium 
                                  137. Beide sind extrem krebserregend, doch hat 
                                  das erste eine Lebensdauer von etwa 24 Tagen 
                                  in der Atmosphäre, während das zweite 
                                  300 Jahre lang radioaktiv bleibt. Am Sonntag, 
                                  den 13. März, wurden über 200 000 
                                  Menschen evakuiert. Die Behörden ordneten 
                                  eine Räumungszone mit einem Umkreis von 
                                  20 km um Fukushima I und von 10 km um Fukushima 
                                  II an. Das 
                                  Auftreten von Cäsium 137 ist ganz besonders 
                                  besorgniserregend.  Es 
                                  mangelt an präzisen Informationen: Dass 
                                  die Firma Tokyo Electric Power (Tepco) und die 
                                  japanischen Behörden einen Teil der Wahrheit 
                                  verheimlichen, ist mehr als wahrscheinlich. 
                                  Die beiden Fragen, die am meisten Angst machen, 
                                  sind zum einen, ob das Schmelzen der Brennstäbe 
                                  beherrscht wird oder ob es weitergeht, und zum 
                                  anderen, ob die Sicherheitsstruktur, in der 
                                  sich der Behälter befindet, halten wird. 
                                  Ken Bergson, ein Atomphysiker, der zu Unfallsimulationen 
                                  in Kraftwerken arbeitet, ist der Auffassung, 
                                  dass diese Struktur „mit Sicherheit solider 
                                  ist als die in Tschernobyl, doch durchaus weniger 
                                  als die in Three Mile Island“. Die Fachleute 
                                  verhehlen nicht ihre Beunruhigung: „Wenn 
                                  sie das alles nicht wieder in den Griff bekommen, 
                                  geht es von einer teilweisen Schmelze zu einer 
                                  vollständigen Schmelze weiter, das wird 
                                  das totale Desaster“, wie einer von ihnen 
                                  erklärt hat (Le Monde, 13.3.2011).  Am 
                                  schlimmsten wäre jedoch die Schmelze des 
                                  Kerns des zweiten Reaktors, der am 13. März 
                                  explodiert ist. Der dort verwendete Brennstoff 
                                  ist Mox, eine Mischung von abgereichertem Uranoxyd 
                                  und Plutonium 239. Dieses Plutonium 239 ist 
                                  ein wieder verwendeter Abfall aus dem Betrieb 
                                  von klassischen Urankraftwerken. Dessen Radioaktivität 
                                  ist extrem hoch, und seine „Halbwertzeit“ 
                                  (die Jahre, die für eine Verminderung der 
                                  Radioaktivität um die Hälfte nötig 
                                  sind) wird auf 24 000 Jahre geschätzt. 
                                  Die JapanerInnen kennen dieses Element und dessen 
                                  fürchterliche Folgen gut: Die thermonukleare 
                                  Bombe, die am Ende des Zweiten Weltkriegs auf 
                                  Nagasaki abgeworfen wurde, enthielt Plutonium 
                                  239.  Ein 
                                  nicht akzeptables Risiko  Nach 
                                  der Katastrophe von Tschernobyl erklärten 
                                  die BefürworterInnen der Atomkraft, der 
                                  Unfall gehe auf die schlechte sowjetische Technik, 
                                  unzureichende Sicherheitsbestimmungen und den 
                                  bürokratischen Charakter des Systems zurück. 
                                  Würde man ihnen glauben, kann bei den Kraftwerken, 
                                  die mit der guten kapitalistischen Technik laufen, 
                                  nichts dergleichen passieren, vor allem nicht 
                                  in unseren „demokratischern“ Ländern, 
                                  in denen der Gesetzgeber auf allen Ebenen alle 
                                  notwendigen Sicherheitsmaßnahmen trifft. 
                                  Jetzt sieht man, dass dieser Diskurs rein gar 
                                  nichts taugt.  Japan 
                                  ist ein Land mit sehr hoch entwickelter Technik. 
                                  Die Behörden wissen durchaus um das Erdbebenrisiko 
                                  und haben für den Bau von Kraftwerken sehr 
                                  strenge Bestimmungen erlassen. Der Reaktor 1 
                                  von Fukushima I war sogar mit doppelten Sicherheitsvorrichtungen 
                                  versehen, mit dieselbetriebenen Aggregaten einerseits 
                                  und batteriebetriebenen andererseits. Es hat 
                                  nichts genutzt, weil auch die ausgefeilteste 
                                  Technik und die strengsten Sicherheitsbestimmungen 
                                  niemals eine absolute Garantie geben werden, 
                                  weder im Fall von Naturkatastrophen noch im 
                                  Fall von möglichen kriminellen Akten von 
                                  irrsinnigen Terroristen (einmal abgesehen von 
                                  immer möglichen menschlichen Fehlern). 
                                  Man kann das Risiko der Atomkraftwerke vermindern, 
                                  es aber nicht vollständig ausräumen. 
                                  Wenn man es relativ gesehen vermindert, die 
                                  Zahl der Kraftwerke jedoch zunimmt, wie das 
                                  zur Zeit der Fall ist, kann das absolute Risiko 
                                  ansteigen.  Es 
                                  ist wichtig festzustellen, dass dieses Risiko 
                                  nicht akzeptabel ist, da es menschlichen Ursprungs, 
                                  vermeidbar und das Ergebnis von Entscheidungen 
                                  über Investitionen ist, die von engen Zirkeln 
                                  im Zusammenhang mit ihren Profiten getroffen 
                                  werden, ohne wirkliche demokratische Konsultation 
                                  der Bevölkerung. Zu schreiben, dass die 
                                  „Atomunfälle (sic) in Japan bei weitem 
                                  nicht so viele Opfer gefordert haben wie der 
                                  Tsunami“, wie es zum Beispiel im Leitartikel 
                                  von [der belgischen Tageszeitung] Le Soir (14. 
                                  März) heißt, läuft darauf hinaus, 
                                  den qualitativen Unterschied zwischen einer 
                                  unvermeidlichen Naturkatastrophe und einer technisch 
                                  ohne weiteres vermeidbaren Katastrophe wegzuwischen. 
                                  Wenn es weiter heißt, „wie bei jedem 
                                  komplexen industriellen Prozess enthält 
                                  die Energieproduktion auf der Grundlage des 
                                  Atoms einen beträchtlichen Anteil von Risiken“ 
                                  (an gleicher Stelle), so läuft dies zudem 
                                  darauf hinaus, die Besonderheit des atomaren 
                                  Risikos wegzuwischen, das vor allem darin besteht, 
                                  dass diese Technik das Potential enthält, 
                                  die menschliche Gattung auf der Erde auszuradieren. 
                                  Solche Äußerungen gilt es unermüdlich 
                                  aufzuspießen, sie sind Ausdruck des enormen 
                                  Drucks, den die Atomlobby auf allen Ebenen ausübt. Das 
                                  Risiko auch bei uns  Während 
                                  die Fachleute ihre Besorgnis nicht verbergen, 
                                  stellen die Politiker ihre Dummheit zur Schau. 
                                  Als der französische Industrieminister 
                                  Eric Besson am 12. März befragt wurde, 
                                  behauptete er, was in Fukushima geschieht, stelle 
                                  einen „schweren Unfall, keine Katastrophe“ 
                                  dar. Um seine Pro-Atom-Politik zu rechtfertigen, 
                                  fand der britische Staatssekretär für 
                                  Energie Chris Huhne kein besseres Argument als 
                                  zu betonen, wie gering die Erdbebengefahr im 
                                  Vereinigten Königsreich ist, und er fügte 
                                  hinzu, man werde die Lehren aus dem, was im 
                                  Land der aufgehenden Sonne geschieht, ziehen, 
                                  so dass die Sicherheit am Ende noch größer 
                                  sein werde… Diese armseligen Argumente 
                                  werden mit Varianten von allen Regierungen angebracht, 
                                  die entweder beschlossen haben, weiter auf Atomkraft 
                                  zu setzen (in erster Linie Frankreich), auf 
                                  sie umzuschwenken (Italien) oder aber die Entscheidungen 
                                  zum Atomausstieg in Frage zu stellen, die unter 
                                  dem Druck der öffentlichen Meinung nach 
                                  Tschernobyl getroffen worden waren (Belgien, 
                                  Deutschland). Die Ziele bestehen darin, Panik 
                                  zu vermeiden und zu verhindern, dass eine neue 
                                  Mobilisierung des Bewusstseins die ehrgeizigen 
                                  Pläne zum Ausbau des Atoms auf internationaler 
                                  Ebene torpediert.  Es 
                                  ist schon untertrieben zu sagen, dass diese 
                                  Argumente nicht überzeugend sind. Vor allem 
                                  in Westeuropa ist die Angst mehr als legitim. 
                                  In Frankreich, dem führenden Land im Bereich 
                                  der Nuklearenergie werden die seismischen Normen 
                                  von den Reaktoren nicht eingehalten. Laut „Sortir 
                                  du nucléaire“ ist [der französische 
                                  Stromkonzern] EDF so weit gegangen, dass seismologische 
                                  Angaben gefälscht wurden, damit man nicht 
                                  zugeben muss, dass mindestens 1,9 Milliarden 
                                  Euro investiert werden müssen, um die Reaktoren 
                                  an die Normen anzupassen. Erst vor kurzem hat 
                                  die Justiz die Schließung des Atomkraftwerks 
                                  Fessenheim (Elsass) verlangt, des ältesten 
                                  französischen AKW, das in einem Gebiet 
                                  mit hohem seismischem Risiko liegt. Die Kraftwerke 
                                  von Doel und Tihange in Belgien sind so ausgelegt, 
                                  dass sie Erdbeben einer Stärke von 5,7 
                                  bis 5,9 auf der Richterskala standhalten. Doch 
                                  hat es seit dem 14. Jahrhundert in unseren Regionen 
                                  drei Erdbeben mit einer Stärke über 
                                  6 gegeben.  Es 
                                  ist auch festzuhalten, dass es nicht mehr genügend 
                                  IngenieurInnen gibt, die über eine hochqualifizierte 
                                  Ausbildung für den Betrieb von Atomkraftwerken 
                                  verfügen, und dass der Plan für den 
                                  atomaren Notfall nur ein Gebiet im Umkreis von 
                                  10 km um die Anlagen vorsieht, was völlig 
                                  unzureichend ist. Eine weitere Quelle für 
                                  Besorgnis ist die Verlängerung der Betriebsdauer. 
                                  Es wird auf 50 Jahre gesetzt, während sich 
                                  die Vorfälle ab 20 Jahren Laufzeit häufen. 
                                  So weisen 19 französische Reaktoren wegen 
                                  ihres Alterns nicht gelöste Anomalien bei 
                                  den Sicherheitskühlsystemen auf… 
                                  eben denen, die in Japan versagt haben. Usw. 
                                  usf.  Was 
                                  für eine Gesellschaft wollen wir?  Ein 
                                  Atomausstieg ist nötig, vollständig 
                                  und so schnell wie möglich. Technisch ist 
                                  dies durchaus möglich, und es ist angebracht, 
                                  daran zu erinnern, dass die Effizienz der Atomenergie 
                                  sehr mittelmäßig ist (Zweidrittel 
                                  der Energie gehen in Form von Hitze verloren). 
                                  Es ist vor allem eine politische Debatte, eine 
                                  Debatte über welche Art von Gesellschaft, 
                                  bei der letzten Endes eine Entscheidung über 
                                  die Zivilisation aufgeworfen ist. Denn das Problem 
                                  besteht darin: Der Atomausstieg ist nötig, 
                                  und zugleich muss man die Nutzung der fossilen 
                                  Brennstoffe aufgeben, die Hauptursache für 
                                  das Umkippen des Klimas. In kaum zwei Generationen 
                                  müssen die Erneuerbaren unsere einzige 
                                  Energiequelle werden.  Für 
                                  den Übergang zu den erneuerbaren Energien 
                                  sind jedoch gigantische Investitionen notwendig, 
                                  die Energie fressen, also Quellen für zusätzliche 
                                  Treibhausgase sind. Die Energieumstellung ist 
                                  praktisch nur dann möglich, wenn die Letztnachfrage 
                                  nach Energie radikal zurückgeht, mindestens 
                                  in den entwickelten kapitalistischen 
                                  Ländern. In Europa muss es eine Verminderung 
                                  in der Größenordnung von 50 % von 
                                  jetzt bis zum Jahr 2050 geben. Eine Verminderung 
                                  in solch einem Umfang ist nicht ohne eine beträchtliche 
                                  Senkung der materiellen Produktion und der Transporte 
                                  zu verwirklichen. Es muss weniger produziert 
                                  und transportiert werden, ohne das ist die Gleichung 
                                  unlösbar. Das heißt, sie ist für 
                                  das kapitalistische System unlösbar, denn 
                                  das Rennen nach Profit unter der Peitsche der 
                                  Konkurrenz hat unvermeidlich Wachstum zur Folge, 
                                  anders gesagt die Akkumulation von Kapital, 
                                  das sich unvermeidlich in einer wachsenden Masse 
                                  von Waren ausdrückt, also in einem wachsenden 
                                  Druck auf die Ressourcen.  Von 
                                  daher nehmen alle kapitalistischen Antworten 
                                  auf die Klimaherausforderung Zuflucht zu Zauberlehrlingstechniken, 
                                  mit dem Atom vorneweg. Das Energieszenario „Bluemap“ 
                                  der Internationalen Energieagentur ist in dieser 
                                  Hinsicht aufschlussreich: Darin wird ein Ausbau 
                                  der Atomkraftanlagen von jetzt bis 2050 auf 
                                  das Dreifache vorgeschlagen, was auf den Bau 
                                  eines Kraftwerks von einem Gigawatt pro Woche 
                                  hinausläuft. Dies ist schlicht und einfach 
                                  Irrsinn.  Eine 
                                  Alternative zu diesem höllischen System 
                                  ist dringender denn je. Sie schließt die 
                                  radikale Verkürzung der Arbeitszeit ohne 
                                  Lohneinbußen ein, mit proportionalen Neueinstellungen 
                                  und Herabsetzung der Arbeitsdichte: um weniger 
                                  zu produzieren, muss man weniger arbeiten, und 
                                  dies bei Umverteilung des Reichtums. Sie schließt 
                                  auch das kollektive Eigentum der Energie- und 
                                  Finanzsektoren ein, denn die erneuerbaren Energien 
                                  sind teurer als die anderen Quellen, und dies 
                                  wird noch mindestens zwanzig Jahre lang so bleiben. 
                                  Sie schließt außerdem eine Planung 
                                  auf allen Ebenen ein, von der lokalen bis zur 
                                  globalen, damit das Recht des Südens auf 
                                  Entwicklung mit dem Erhalt der ökologischen 
                                  Gleichgewichte versöhnt werden kann. Letztlich 
                                  impliziert sie das ökosozialistische Projekt 
                                  einer Gesellschaft, die für die Befriedigung 
                                  der demokratisch festegestellten realen menschlichen 
                                  Bedürfnisse produziert, unter Rücksichtnahme 
                                  auf die Rhythmen und die Funktionsweise der 
                                  Ökosysteme.  Gibt 
                                  es solch eine Alternative nicht, wird das kapitalistische 
                                  Wachstum immer mehr Katastrophen hervorrufen, 
                                  ohne dass die gesellschaftlichen Bedürfnisse 
                                  befriedigt werden. Letzten Endes ist dies die 
                                  schreckliche Lehre aus Fukushima.  |