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Marx reloaded

Krise des Profits – Antwort des Kapitals
Die Wiederkehr des ordinären Kapitalismus.
Serie / Teil IV:
Innerkapitalistische Ansätze zur Krisenlösung

von Winfried Wolf

Anstelle des 1990 verkündeten »Endes der Geschichte« erleben wir gegenwärtig die Renaissance eines zunehmend ungezügelten Kapitalismus, wie es ihn zuletzt in der Zeit zwischen den Weltkriegen gab. Mit dem unscharfen Begriff der »Globalisierung« wird heute eine Wirtschaftsordnung bezeichnet, die von einer steigenden Konzentration des Reichtums auf die Zentren (Teil I von Winfried Wolfs Analyse), immer häufiger auftretenden zyklischen Konjunkturkrisen (Teil II) und einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich (Teil III) geprägt ist. Die heutige Folge beschäftigt sich mit kapitalismusimmanenten Lösungsversuchen.

Die entscheidende Führungsgröße in der kapitalistischen Produktionsweise sind weder der industrielle Zyklus noch der Widerspruch zwischen kaum begrenzter Produktionsausweitung und begrenzter Konsumtionskraft. Dies ist vielmehr die Profitrate – die Profitmasse eines Unternehmens oder Landes – oder zunehmend auch der Weltwirtschaft –, bezogen auf das gesamte angelegte Kapital der jeweiligen Einheit. Wenn Karl Marx davon sprach, daß die Profitrate »das wirkliche Triebwerk des Kapitals« sei (MEW 25, S. 836), so hat der Ökonomie-Nobelpreisträger Milton Friedman diese Aussage um seine soziale – respektive asoziale – Komponente ergänzt und formuliert: »Die einzige soziale Verantwortung eines Unternehmers besteht darin, seinen Profit zu erhöhen.« Und als der DaimlerChrysler-Vorstandsvorsitzende Jürgen Schrempp 1998 nach den Zielen seiner Politik gefragt wurde, antwortete er schlicht: »Profit, Profit, Profit.«

Auf- und Abschwung

Da die kapitalistische Produktionsweise allein den Maßstab der Profitorientierung kennt, reagiert diese Wirtschaftsordnung auch hochsensibel (»scheu wie ein Reh«) auf die Bewegung der Profite und insbesondere auf den Profit, der auf eine Einheit Kapital, das für Löhne, Rohstoffe und Kapitalanlagen eingesetzt wird, bezogen wird.

Die Bewegung der Profitrate bildet die letztliche Ursache für den zyklischen Verlauf derselben und für die langen Wellen der Konjunktur einschließlich der periodisch wiederkehrenden schweren Erschütterungen der Weltwirtschaft. Dies sei am Beispiel von drei Krisen belegt.

In der Weltwirtschaftskrise 1929 bis 1932 brachen die Profite im führenden kapitalistischen Land, in den USA, ab dem Jahr 1930 massiv ein (um rund 40 Prozent gegenüber 1929). Dies setzte sich in ähnlicher Größenordnung 1931 und 1932 fort. Danach erholten sich die Profite, was zu einer langsamen Konjunkturerholung führte. In Deutschland lag 1929 die ausgewiesene Gewinnsumme in der Industrie bei 315 Millionen Reichsmark, 1931 waren es nur noch 116 Millionen Reichsmark. 1932 gab es einen addierten Verlust von 73 Millionen Reichsmark.

In der ersten großen internationalen Krise nach dem Zweiten Weltkrieg, der Weltwirtschaftskrise 1974/75, brachen die Profite erneut weltweit ein. In der BRD reduzierten sich die Bruttoerträge der deutschen Aktiengesellschaften erstmals in der Nachkriegszeit über einen Zeitraum von zwei Jahren hinweg – insgesamt um 15 Prozent. 1976 schnellten die Gewinne erneut nach oben – um 64 Prozent, was die Basis für den neuerlichen Aufschwung abgab. Max Kruk schrieb damals im Rahmen der »FAZ-Gewinnstatistik«: »Die große Talfahrt der Gewinne hat (1975) angehalten. Sie hatte 1974 im Zeichen der Erdölkrise, Rohstoffhausse und Lohnexplosion mit bisher nie gekannter Vehemenz eingesetzt (...) Der Schrumpfungsprozeß der Gewinne hat 1975 (...) zwar nicht mehr die Rasanz des Jahres 1974 erreicht. Die Talfahrt ist langsamer geworden. Aber sie hat zu einem Tiefststand ohnegleichen geführt. Rückblickend will das Jahr 1969 (...) wie eine Erinnerung an gute, alte Zeiten erscheinen. Welchen Maßstab man immer anlegt: Die Gewinnmargen haben sich in diesen sechs Jahren halbiert.« Bis heute wurden die Margen der sechziger Jahre nicht mehr erreicht.

Die Wende, die es Ende der 1990er Jahre, am Ende des letzten Konjunkturzyklus, bei den Profiten, dann in der neuen weltweiten Rezession und schließlich beim neuen Aufschwung 2003 gab, wird anschaulich mit den ersten Sätzen wiedergegeben, mit denen das US-Wirtschaftsblatt Fortune seine jährliche Statistik »The World’s Largest 500 Corporations – Die 500 größten Unternehmen der Welt« in den Jahren 2000, 2002 und 2004 einleitet. Die 2000er Bilanz wurde wie folgt eröffnet: »Stellen Sie sich die Hitliste von Fortune’s Global 500 als ein Familienfoto, als eine Art Statistikschnappschuß vor, bei dem die Zeit eingefroren wird. Dann ergibt sich, daß in diesem Jahr unser Klassentreffenfoto im schwindenden Licht des ausgehenden 20. Jahrhunderts eine optimistische Szene festhält: eine rosafarbene Geschäftsweltlandschaft, bevölkert von lebenslustigen Unternehmensgiganten – gesund, glücklich und fett.«

Die einleitenden Sätze der 2002er Analyse lasen sich dann wie ein Kontrastprogramm: »Das Jahr 2001 war ein Rekordjahr – für Verluste. Unter den 500 größten Konzernen der Welt befanden sich 297 mit fallenden Profiten. Die gesamten ausgewiesenen Profite lagen im Jahr 2001 bei weniger als der Hälfte des vergangenen Jahres. Dies war bei weitem der größte Einbruch bei den Profiten, seit Fortune erstmals die Statistik Global 500 veröffentlichte.«

Wieder zwei Jahre später, im 2004er Bericht über die »Global 500«, lauteten die einleitenden Sätze wie folgt: »Sie sind zurück. Nach drei Jahren mit schlechten Nachrichten haben die größten Unternehmen der Welt im vergangenen Jahr einen gewaltigen Umschwung geschafft, indem sie die höchsten Profite und die größten Umsätze aller Zeiten hatten.« Die Tabelle (siehe Printausgabe) dokumentiert diese Entwicklung für die letzte Phase des Aufschwung Ende der neunziger Jahre, die Krisenjahre 2001/2002 und die erste Phase des neuen Aufschwungs, der vor allem ein Aufschwung der Profite war.

Die Profite stiegen 1999 nochmals deutlich an (um 25,6 Prozent), um dann 2001 gegenüber 1999 massiv (um 44,8 Prozent) reduziert zu werden. Der Anstieg im neuen Aufschwung war nochmals eindrucksvoller als der vorausgegangene Abstieg: 2003 lagen die Profite um 139 Prozent über dem Niveau von 2001. Die Krise verursachte zwar eine Delle, doch im längerfristigen Vergleich 2003 gegenüber 1998 ergab sich dennoch ein erheblicher Anstieg um fast zwei Drittel (65,8 Prozent).
Vergleicht man die Entwicklungen von Umsatz, Beschäftigtenzahl und Profiten, so weist die Profitbewegung die dynamischsten Ausschläge aus. Der addierte Umsatz der 500 größten Konzerne wuchs weitgehend kontinuierlich; im gesamten Zeitraum 2003 gegenüber 1998 stieg er um fast ein Drittel an (29,6 Prozent). Die Beschäftigtenzahl ging in den Krisenjahren sogar absolut zurück – 2003 gegenüber 2001 um vier Prozent. Mit 15,6 Prozent wies sie über den gesamten Zeitraum 2003 gegenüber 1998 das geringste Wachstum auf. Das heißt, die massiv (um rund 66 Prozent) angestiegene Profitmasse wurde von einer nur leicht gesteigerten Beschäftigtenzahl erwirtschaftet. Sie bezieht sich auf einen bedeutend gesteigerten Kapitaleinsatz, weswegen der Anstieg der Profitmasse von einem weit geringeren Anstieg der Profitrate begleitet ist.

Die jähe Wende an der Profitfront, die es im Zeitraum 1999 bis 2001 gab, wiederholte sich in allen großen kapitalistischen Industriestaaten. So brachen 2001 die ausgewiesenen Gewinne der 100 größten bundesdeutschen Unternehmen um 60 Prozent ein.

Fallende Profitrate

In der Tendenz gibt es eine langfristig sinkende Profitrate: Mehrwert und Profit sind letzten Endes allein das Ergebnis menschlicher Arbeit, Resultat der Differenz zwischen demjenigen Wert, der den Beschäftigten in Form von Löhnen und Gehältern als Gegenleistung für die Verausgabung von Arbeitskraft bezahlt wird, und dem darüber hinausgehenden Wert, dem Mehrwert, den der Einsatz (die Ausbeutung) der Lohnarbeit schafft. Für Unternehmen ist dabei die absolute Höhe des Mehrwerts und Profits nicht die entscheidende Größe. Wichtig sind vielmehr die unterschiedlich berechneten »Gewinnmargen«. Diese werden im bürgerlichen Geschäftsleben auf verschiedene Weise zum Ausdruck gebracht – beispielsweise als Umsatzrendite (bei der die Gewinne in Prozent des Umsatzes ausgewiesen werden) oder als Ertrag in Prozent der Bilanzsumme.

Am klarsten wird dieses Verhältnis mit der Profitrate (p´) ausgedrückt. In dieser wird der Profit bzw. Mehrwert (m) bezogen auf das gesamte eingesetzte Kapital, auf die Summe des für Löhne und Gehälter eingesetzten »variablen Kapitals« (v) und des »konstanten Kapitals« (c), das für Rohstoffe und die Abnutzung eingesetzter Maschinen, Computer und Gebäude ausgegeben wird.

Nun zwingt die Konkurrenz die Unternehmen dazu, ständig die Menge an bezahlter Arbeitszeit einzusparen und zugleich die Höhe der Löhne und Gehälter zu senken. Gleichzeitig findet auf der technischen Ebene eine Produktivkraftentwicklung statt, bei der für die Herstellung ein- und desselben Produkts immer weniger menschliche Arbeit verausgabt und dasselbe unter Einsatz eines ständig größeren Anteils konstanten Kapitals produziert wird. Damit besteht ein relativ immer größerer Bestandteil des Gesamtkapitals aus konstantem Kapital (Gebäude, Maschinen, Computer, Rohstoffe), ein immer kleinerer Teil aus variablem Kapital (Löhne und Gehälter). Das Verhältnis von konstantem zu variablem Kapital wird in der Marx’schen Analyse als organische Zusammensetzung des Kapitals (q) bezeichnet. Einen Indikator dafür bildet in der bürgerlichen Terminologie der Begriff der »Kapitalintensität«.

Der kapitalistische Produktionsprozeß ist von einer seit mehr als 200 Jahren währenden wachsenden organischen Zusammensetzung des Kapitals gekennzeichnet. Letzten Endes besteht theoretisch die Möglichkeit, daß Produkte ohne Verausgabung menschlicher Arbeitszeit – in menschenleeren Fabriken – hergestellt werden. Diese potentielle Entwicklung zeichnete sich in den vergangenen Jahren im internationalen Fahrzeugbau und in der Chipherstellung ab. Da jedoch nur die menschliche Arbeit Werte und Mehrwert schafft, kommt es zum Prozeß einer tendenziell fallenden Profitrate: Die Profitmasse bezieht sich auf ein relativ immer größeres vorgeschossenes Kapital, insbesondere auf ein immer größeres eingesetztes konstantes Kapital, angelegt in eingesetzter Maschinerie.

Gegentendenzen

Krisen, diese »gewaltsamen Lösungen der vorhandenen Widersprüche, (diese) gewaltsamen Eruptionen, die das gestörte Gleichgewicht für einen Augenblick wiederherstellen« (Marx, MEW 25, S.259), haben damit die objektive Funktion, die Profitrate erneut anzuheben. Dies erfolgt auf zumindest drei Ebenen:

Erstens kommt es in den Krisen zu einer großangelegten Kapitalvernichtung – durch massenhafte Pleiten und flächendeckende Vernichtung vorhandener Kapazitäten. 2002 gab es weltweit einen Pleitenrekord. Die Arbeit der Kapitalvernichtung ist in jüngerer Zeit ein regelrechter Geschäftszweig im modernen, ordinären Kapitalismus geworden: das Busineß »Merger and Acquisition (M&A)«, in jüngerer Zeit auch »Heuschrecken-Unternehmen« genannt.

Als Folge der Kapitalvernichtung bezieht sich die Profitmasse auf ein geringeres eingesetztes Kapital. Da mit dieser Kapitalvernichtung auch der Wert des eingesetzten Kapitals sinkt, reduziert sich nicht nur das gesamte eingesetzte Kapital hinsichtlich seines technischen Umfangs (seines Gebrauchswerts), sondern auch der – letzten Endes entscheidende – Wert des Kapitals, der Marktpreis einer jeweiligen eingesetzten Kapitaleinheit. Parallel dazu findet ein allgemeiner Preisverfall vor allem bei Waren statt, die in das konstante Kapital eingehen; bei vielen Produkten werden die Preise noch unter die Gestehungskosten gesenkt. So gab es mit der Krise 2001/2002 im IT-Sektor und im Telekommunikationsbereich Preiskriege, die in einen enormen Preisverfall mündeten. In der Wirkung wird hierdurch erneut das vorgeschossene Kapital, auf das sich die Profite beziehen, reduziert, indem sich zum Beispiel Fertigwaren (Computer und Chips) und Dienstleistungen (Software), die für den Produktionsprozeß erforderlich sind, verbilligen. Des weiteren werden in Krisenzeiten die Rohstoffpreise gesenkt, womit sich erneut das eingesetzte konstante Kapital reduziert.

Zweitens wird in der Krise der Angriff auf die Beschäftigten verstärkt, um auf diese Weise die Mehrwertrate (Ausbeutungsrate) anzuheben. Die steigende Ausbeutung der Arbeitskraft, der ständig ansteigende Teil von Arbeitszeit, die Mehrwert schafft, und den sich die Unternehmen aneignen, verglichen mit demjenigen Teil der Arbeit, die in Form von Arbeitslohn entgolten wird, ist die entscheidende Gegentendenz gegen die fallende Profitrate. Karl Marx betonte diesen nur scheinbar sich widersprechenden inneren Zusammenhang wie folgt: »Das tendenzielle Sinken der Profitrate ist verbunden mit einem tendenziellen Ansteigen der Rate des Mehrwerts, also im Exploitationsgrad der Arbeit (...) Die Profitrate fällt nicht, weil die Arbeit unproduktiver wird, sondern weil sie produktiver wird. Beides, Steigen der Rate des Mehrwerts und Fallen der Rate des Profits, sind nur besondere Formen, worin sich die wachsende Produktivität der Arbeit kapitalistisch ausdrückt.« (MEW 25, S.250). Die Profitrate sinkt trotz weiter steigender Ausbeutungsrate, weil mit diesem Prozeß die organische Zusammensetzung des Kapitals – die Kapitalintensität – schneller wächst, als die Mehrwertrate steigt.*)

Die »Agenda 2010«, die just im März 2003, am Ende der internationalen Krise – und, wie aus der Tabelle in Teil III der Serie ersichtlich, inmitten der BRD-Krise –, verkündet wurde, war demnach nicht primär dem »Verrat« der Sozialdemokraten geschuldet. Es handelte sich schlicht um den Versuch, über entsprechend niedrigere »Belastungen« der Unternehmen (Steuersenkungen; Reduktion der Arbeitgeberanteile bei den Sozialversicherungssystemen) deren Profite direkt zu erhöhen beziehungsweise über niedrigere Löhne, längere Arbeitszeiten und mehr Auspressung von Arbeit aus den einzelnen Beschäftigten das eingesetzte variable Kapital, auf das diese Profite bezogen werden, zu senken. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das Arbeitslosenheer, das in der Regel am Ende der Krise seinen Höhepunkt erreicht und damit in besonderem Maß zur Verschlechterung der Löhne, Gehälter und Arbeitszeiten beiträgt. In der BRD wurde im Frühjahr 2005 erstmals seit 1932 die Zahl von mehr als fünf Millionen offiziell registrierten Erwerbslosen erreicht. In der Gesamttendenz wurde auf diese Weise die Profitrate wieder angehoben und der Tendenz ihres langfristigen Sinkens entgegengewirkt.

Drittens schließlich wird in Krisen – und in Zeiten sinkender Profitrate – versucht, die Möglichkeiten zur Anlage von privatem Kapital deutlich auszuweiten. Dadurch wird teilweise der zuvor (in Teil III) entwickelte Widerspruch zwischen kaum begrenzter Produktion und begrenzter Konsumtionskraft gemindert. Solche neuen Anlagesphären für das Kapital gibt es durch Privatisierungen – den Abbau des öffentlichen Sektors und der Daseinsvorsorge. Dieser Prozeß wird hierzulande vor allem seit 2000 vorangetrieben. Die Große Koalition will ihn noch beschleunigen und allein 2006 und 2007 Staatsbeteiligungen im Wert von mehr als 30 Milliarden Euro verkaufen, was einen neuen Rekord – und Ausverkauf – darstellt.

Neue Anlagesphären werden sodann durch die Intensivierung des Welthandels und die Ausweitung der Exporte erreicht. Dies erfolgte im Fall des westeuropäischen Kapitals vor allem mit der EU-Osterweiterung, die einen großen neuen Raum für Exporte erschloß. Die deutschen Exporte haben sich im Zeitraum 1998 bis 2005 von 550 Milliarden auf 900 Milliarden Euro fast verdoppelt. Sie wuchsen um ein Vielfaches schneller als das Bruttoinlandsprodukt, womit die »Exportquote« und die Abhängigkeit vom Weltmarkt deutlich anstiegen. Bezeichnenderweise stiegen die Ausfuhren am stärksten in Richtung der mittel- und osteuropäischen Staaten, der neuen EU-Mitgliedsländer. Gleichzeitig hat sich der »Außenbeitrag« – das Mehr an Exporten von Waren und Dienstleistungen gegenüber den entsprechenden Importen (das Resultat der positiven Leistungsbilanz) – allein zwischen 2001 und 2005 mehr als verdreifacht (auf 120 Milliarden Euro). Doch diese Art Wachstum ist ein Wachstum auf Kosten anderer und ruft mittelfristig Bumerangeffekte hervor. Der »positive Außenbeitrag« der BRD muß durch einen »negativen Außenbeitrag« in anderen Regionen (die mehr importieren als exportieren) »ausgeglichen« werden. Das heißt, diese Regionen verschulden sich im gleichen Umfang.

Auch Karl Marx sah diese zeitweiligen Auswege aus der Krise und schrieb im »Kapital«: »Der Markt muß daher beständig ausgedehnt werden (...) Der innere Widerspruch sucht sich auszugleichen durch Ausdehnung des äußern Feldes der Produktion (...) Es wird damit weiter verlangt, daß Länder, wo die kapitalistische Produktionsweise nicht entwickelt, in einem Grad konsumieren und produzieren sollen, wie er den Ländern der kapitalistischen Produktionsweise paßt.« (MEW 25, S.255 u. 267) Marx und Engels verwiesen zuvor schon an anderer Stelle, im »Kommunistischen Manifest«, darauf, daß auf diese Weise die anscheinend reinigende Wirkung der Krise neue Krisen auf höherem Niveau vorbereitet. Dort heißt es: »Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; andererseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung der alten Märkte. Wodurch also? Dadurch, daß sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert.« (MEW 4, 468)

Diese Feststellung findet in der Realität des neuen – in der BRD: zehnten – Zyklus einige Bestätigung. Der neue Zyklus ist von einer fortgesetzten Pleitewelle und von stagnativen Tendenzen geprägt. Der private Konsum ist rückläufig. Vor allem aber sinkt erstmals die Erwerbslosenzahl im Aufschwung nicht mehr – ja, sie erreichte im Frühjahr 2005 mit – offiziell – 5,4 Millionen einen neuen Rekord und sie wird im Frühjahr 2006 erneut bei mehr als fünf Millionen liegen.

Quellen (Auswahl):
– Milton Friedman nach: Die Welt vom 2.12.2005. Das Originalzitat stammt aus der Zeit Ende der siebziger Jahre, als Friedman, wie in Teil 1 erwähnt, u.a. Berater von Augusto Pinochet war;
– Tabelle nach verschiedenen Ausgaben des US-Magazins Fortune vom 26.7.2004, vom 22.7.2002, vom 24.7.2000 und vom 20.7.1999;
– Profitentwicklung 1929-1932 nach: Eugen Varga, Die Krise des Kapitalismus und ihre politischen Folgen, Frankfurt/M. 1969 (Neuauflage), S.248;
– Gewinne 1974-76 nach: Max Kruk, jährliche FAZ-Gewinnstatistik, veröffentlicht in Blick durch die Wirtschaft (herausgegeben von der FAZ), hier nach den Ausgaben vom 3.3.1977 und vom 30.3.1978;
– Fortune-Zitate nach: Fortune vom 24.7.2000 und vom 22.7.2002 und vom 26.7.2004;
– BRD-Profite 2001 nach: »Deutschlands Top 100«, in: Handelsblatt vom 16.7.2002;
– Exportentwicklung: Wochenberichte des DIW, Berlin 28-29/2004; Monatsberichte der Deutschen Bundesbank, 12/2005.
*) Die Debatte zur tendenziell sinkenden Profitrate und den ihr entgegenwirkenden Tendenzen wird überzeugend referiert bei Roman Rosdolsky, Die Entstehungsgeschichte des Marxschen Kapital – Der Rohentwurf des Kapital 1857-1858, Frankfurt/M. 1968, (Europäische Verlagsanstalt), Band II, S. 467ff.