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Italien

Von der KPI zur Demokratischen Partei

Lidia Cirillo* aus Inprekorr Nr. 468 - November/Dezember 2010


Die Demokratische Partei (PD) – Nachfahr der KPI-Mehrheit – hat bei den Europawahlen vom Juni 2009 gerade mal 26,13 % der Stimmen erhalten. Bei den Parlamentswahlen 2008 waren es noch 33,2 % gewesen, schon damals ein Rückgang um 5 180 000 WählerInnen gegenüber den Wahlen von 2006, aus denen die Mitte-Links-Regierung von Romano Prodi hervorgegangen war. Angeschlagen musste sie bereits nach zwei Jahren das Feld für Silvio Berlusconi und seine Mitte-Rechts-Regierung räumen.

Diese Wahlergebnisse spiegeln das Ausmaß der Krise dieser „Linken“ wider, sagen aber wenig aus über deren Beschaffenheit und Dynamik. Aussagefähiger war da schon die Wahlkampagne der PD, die überwiegend auf die Person ihres vorläufigen und wenig charismatischen Führers Dario Franceschini zuge-schnitten war, indem die ehemaligen KP-WählerInnen wiederholt aufgerufen wurden, sich bei der Wahl nicht zu enthalten. Tatsächlich war in den Jahren zuvor die Zahl der NichtwählerInnen immer mehr gestiegen, was hauptsächlich zu Lasten der Linken gegangen war. Zum Teil könnten diese sicherlich wieder gewonnen werden, sofern eine Wahl in Zeiten einer starken Polarisierung stattfindet oder eine Reaktion auf die Regierungspolitik der Rechten darstellt. Aber der andere Teil unter ihnen repräsentiert ein für Italien relativ neues Phänomen, nämlich dass ein großer Teil der politisch aktiven Kräfte in der Gesellschaft sich nicht nur mit keiner der politischen Parteien mehr identifiziert, sondern Wahlen als nutzloses und verzichtbares Ritual empfindet.

Ein weiteres bezeichnendes Charakteristikum der Wahlkampagne war das Bemühen, gegen das Medienmonopol von Silvio Berlusconi anzukämpfen und Zugang zum Wähler zu finden. Berlusconi kontrolliert inzwischen fünf der sechs großen Fernsehsender, die ihm teils gehören, teils unter der Kontrolle seiner Regierung stehen. Auch in dieser Hinsicht wurde der Wahlkampf nach US-Manier geführt: der PD-Vorsitzende begab sich persönlich ins Getümmel verschiedener Städte, durchquerte sie inmitten eines kleinen Pulks von Parteigängern in Trikots mit dem Emblem der Partei und zeigte Hände schüttelnd sein Grinsgesicht. Abgesehen von der völligen Wirkungslosigkeit einer solchen Kampagne hält sie auch keinem Vergleich mit der Fähigkeit der Rechten stand, die WählerInnen direkt an sich binden zu können.

Delegierte der PD

Die PD – und darüber hinaus die gesamte Linke – leidet unter dem schwerwiegenden Problem, dass keine organische Verbindung zu den gesellschaftlichen Kräften mehr vorhanden ist. In dieser Hinsicht ist ihnen die Rechte überlegen, dank der Medien und anderer Anstalten zur Berieselung der Gesellschaft, wie der katholischen Kirche und dem organisierten Verbrechen. Das heißt natürlich nicht, dass diese beiden sich mit der Rechten offen vereinigen oder ihr zu Diensten stehen. Sie tragen vielmehr auf ihre jeweilige Weise zu dem „reaktionären Sumpf“ (Gramsci) bei, der spezifisch für die konservativen Kräfte der italienischen Gesellschaft ist. Die organisatorische Krise der alten KPI lässt sich in wenigen Zahlen wiedergeben. Im Jahr 1989, als die Partei Namen und Symbol wechselte, zählte sie noch fast anderthalb Millionen Mitglieder, wobei sie gegenüber dem Vorjahr bereits 50 000 verloren hatte. Ein Jahr nach der Wende waren weitere 200 000 ausgetreten und 1992 hatte die Partei der Demokratischen Linken (PDS), wie sie nunmehr hieß, bloß noch 789 000 Mitglieder, also halb soviel wie 1989 und lediglich ein Drittel wie zu der Zeit Enrico Berlin-guers.1 Als sich die Partei 2002 nochmals in Linksdemokraten (DS) umbenannte, waren es nur noch 534 000 und seit der Umwandlung zur PD im Jahr 2007 gibt es gar keine offiziellen Zahlen mehr. Es ist allgemein bekannt, dass die Schätzungen hierüber auf Grundlage der Bescheinigungen vorgenommen wurden, die an die Teilnehmer der „Primärwahlen“ über die Spitzenkandidatur bei den Parlamentswahlen 2006 ausgestellt worden waren, an denen theoretisch (und mitunter auch praktisch) gleichermaßen Mitte-Rechts-WählerInnen teilnehmen konnten. „Statt um eine flexible Partei – um einen Slogan von 1989 aufzugreifen – geht es nunmehr um eine nebulöse Partei“, schreibt Luca Telese in seiner Analyse über die Mitgliederentwicklung. 2

Bei der Kampagne zu den Europawahlen 2009 schließlich erschien die Identität der Nachfolgerin der KPI zur Unkenntlichkeit verblasst. Die Rechte war auf den ersten Blick zu erkennen, zunächst wegen ihrer Propaganda gegen die Einwanderer und in zweiter Linie über die Person ihres Führers, der den faschistischen Mythos vom „Mann der Vorsehung“ wiedergab und sich als Macher darstellte, der die Geschicke des Landes mit dem gleichen Geschick lenkt, wie er als Unternehmer seine Geschäfte erfolgreich geführt hat. Hingegen würde sich jemand, der nicht aufmerksam die Tagespresse verfolgt hat, schwer getan haben, etwas über die Positionen der PD zu sagen. Ebenso über deren Absichten, zumal die Partei sich anscheinend selbst nicht darüber im Klaren ist. Ist sie eine Partei der Mitte, vergleichbar mit einer weniger korrupten und klerikalen Christdemokratie? Oder eine Sozialde-mokratie, d. h. eine Organisation, die sich trotz der unzähligen Anpassungsmanöver weiterhin auf die Lohnabhängigen bezieht? Oder die italienische Variante der Partei von Kennedy und Obama, wie der neue Name nahelegt? Damit ist nicht gemeint, dass solche Überlegungen ausdrücklich angestellt würden oder Ausdruck bestimmter Strömungen wären. Dieses Identitätsproblem ist objektiv vorhanden und die Diskussionen innerhalb der Parteiführung thematisieren dies mehr oder minder klar, bspw. anhand der Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei Europas, die bei einem Teil der Partei auf Widerstand stieß. Die Gründung der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten als Gruppe im Europaparlament hat nur ein aktuelles Problem beseitigt aber nicht das viel komplexere der Identität der PD.

Wenn ihr noch immer eine beträchtliche Wahlunterstützung zuteil wird, dann nur, weil der Führer der Rechten bei einem Teil der Wähler Abscheu provoziert und nicht weil diese die politische Theorie und Praxis der PD teilen oder auch nur kennen würden. Gleichwohl geht in den Führungskreisen und innerhalb der Linken im Allgemeinen die Furcht vor einer „strukturellen Schwäche“ der Partei um, zumal die anderen politischen Formationen nicht fähig scheinen, sie aktuell zu ersetzen. Allein, dass die Führung der PD das schlechte Ergebnis der Europawahlen eher erleichtert hingenommen hat, spricht Bände und zeigt, dass ihnen das Ausmaß der Krise bewusst ist.

METAMORPHOSE UND IDENTITÄTSKRISE

Um die Gründe für den Zerfall der größten kommunistischen Partei der westlichen Welt, die als die „nebulöse“ Partei von Dario Franceschini gestrandet ist, zu benennen, müsste man auf die Geschichte Europas und der kommunistischen Bewegung zurückgehen, was hier zu weit führt. Daher beschränken wir uns darauf, die jüngere Entwicklung zu umreißen, die diese Partei um ihr organisatorisches Netzwerk gebracht und ihrer Identität und Selbstsicherheit beraubt hat, sodass sie jetzt um ihr eigenes Überleben bangen muss.

Es war am 12. November 1989, als der damalige Generalsekretär der KPI, Achille Occhetto in der bolognesischen Sektion kundtat, dass die Partei ihren Namen ändern müsste. Diese Ankündigung rief einen Aufstand der Basis hervor, auch wenn diese zuvor alle Hiobsbotschaften geschluckt und die Konterkarierung der kommunistischen Attribute hingenommen hatte. Am deutlichsten spürbar waren die Auswirkungen in der Austrittswelle aus der Partei: gleich 200 000 Austritte im Jahr danach mit einem anhaltenden Aderlass in der Folgezeit, wie oben geschildert. „Die Wende“ – wie sie allgemein bezeichnet wurde – wurde seither in verschiedener und auch widersprüchlicher Weise in Biographien, Autobiographien, Zeitungsartikeln und Interviews thematisiert. Aber ungeachtet der persönlichen Färbung der Darstellung liefern die damaligen Ereignisse einen deutlichen Einblick in die Motive dieser Entscheidung.

Die Berliner Mauer war gerade gefallen, und einige Monate zuvor hatte das Massaker am Tian’anmen- Platz Anfang Juni den Kommunismus von seiner abstoßendsten Seite gezeigt. In Italien herrschte damals die „Fünfparteien-Regierung“3, die auf einem Bündnis zwischen Christdemokratie und der PSI von Bettino Craxi, dem Paten und Gönner des Unternehmers Silvio Berlusconi, gründete. Die Ereignisse in China und Osteuropa lieferten einen ausgezeichneten Vorwand, sich auf die KPI einzuschießen, die schon seit langem unter dem Druck der intellektuellen und liberalen SympathisantInnen stand, Namen und Emblem zu ändern. Zugleich war dies eine Gelegenheit, sich mit guten Argumenten von dem gescheiterten Experiment zu distanzieren und laut zu beanspruchen, nicht damit in einen Topf geworfen zu werden. Es mangelte noch nicht einmal an einschlägigen Leninzitaten, und hatte nicht der Führer der Oktoberrevolution selbst umstandslos den Namen seiner Partei aus viel geringeren Gründen als den Schandtaten von Stalin, Pol Pot oder Ceausescu gewechselt?

Von der KPI zur Demokratischen Partei

In der 1991 gegründeten PDS tobten Grabenkämpfe, ob sie sich als sozialdemokratisch, „Kennedylike“ oder einfach als „neu“ verstehen sollte. Durch den Zusammenschluss mit Splittern – hauptsächlich – der ehemaligen Christdemokratie und PSI entstand 1998 die DS. Und 2007 wurde daraus durch die Fusion mit einer Partei der Mitte – der Margherita von Romano Prodi – die PD, als deren Vorsitzender Walter Veltroni aus Primärwahlen hervorging. Bei dieser Gelegenheit schlossen sich weitere Grüppchen und Einzelpersonen aus der vormals christdemokratischen Seilschaft an, um Mandatspöstchen zu ergattern und wieder einer „richtigen“ Partei anzugehören. Aber mit diesen Wandlungen allein und dem Beitritt einzelner Fragmente oder auch ganzer Parteien der Mitte lässt sich die Identitätskrise nicht vollständig erklären. Die Identität einer Partei beruht vielmehr auf ihrer politischen Praxis … und genau darin liegt der Schwachpunkt der PD.

Im Jahr 1996 gelang die Bildung einer Mitte-Links-Regierung, da sie als Hüter des Sozialstaats auftreten konnte, der in der ersten Amtszeit Berlusconis ab 1994 bereits unter Beschuss geraten war. Dieses Image ging durch die politische Praxis der zweimaligen Mitte-Links-Regierung (1996–2001 und 2006–2008) über Bord. Die PD gilt noch nicht einmal als eine liberale Partei, die die bürgerlichen Rechte garantiert: Die im Verlauf der Metamorphose absorbierten katholischen Gruppierun-gen konnten verhindern, dass in der zweiten Amtszeit Prodi die Rechte der Homo- und Transsexuellen anerkannt wurden, und sogar ein harmloses Gesetz gegen Homophobie erfolgreich blockieren. Die PD war aber nicht nur an der Regierung wenig erfolgreich, auch als Oppositionspartei tut sie sich schwer. Sie kann nicht die Rechte auf deren ureigenen Terrain ausstechen, auch wenn es an derlei Versuchen nicht gefehlt hat. Der Rassismus und das Spiel mit den Ängsten seitens der italienischen Rechten überschreiten in der Tat für gemäßigte Kräfte die Grenzen des Hinnehmbaren und selbst die katholische Amtskirche hat mehrere Male interveniert und zu Gemeinsinn und Mäßigung aufgerufen. Die PD kann die politische Ausein-andersetzung auch nicht einfach umbiegen und sich zum Sachwalter der Rechte der Lohnabhängigen machen, da sich sämtliche Parteiflügel einschließlich der Ex-KPI für die „wirtschaftliche Entwicklung“ und die Interessen der „produktiven Schichten“ (wie in der PD die Klein- und Großunternehmer genannt werden) stark machen.

Außerdem kommt angesichts der Wirtschaftskrise ein Selbstverständnis, das auf Maßhalten und Geduld (das Wort „geduldig“ ist das von Veltroni meist gebrauchte) setzt, schlecht an beim Volk, das zu Recht in Wallung ist, aber von der Rechten gegen die ImmigrantInnen als Sündenbock aufgewiegelt wird.

DER TIEFGREIFENDE WANDEL DER ITALIENISCHEN GESELLSCHAFT

Die damalige KP und ihre Nachfolger haben die Umbrüche und Transformationsprozesse der Gesellschaftsstruktur mitgemacht, ohne recht zu verstehen, was vor sich ging. In ihren Augen war das Ende des dreißigjährigen Wirtschaftswachstums (1945–1975) eine Konjunkturkrise. Den Prozess der Globalisierung und Finanzialisierung (Kasino-Kapitalismus) haben sie als Bestätigung der unbeugsamen Vitalität des Kapitalismus begriffen und überhaupt nicht wahrgenommen, welche Destruktivkraft in der Offensive des Kapitals gegen die Lohnabhängigen steckt. Natürlich ging es nicht in erster Linie um die mangelnde Auffassungsgabe, sondern KPI, PDS,DS und PD haben nacheinander genau die Rolle gespielt wie die Sozialdemokratie im übrigen Europa und aktiv an der Niederlage der Lohnabhängigen mitgewirkt.

Im Lauf der letzten Jahrzehnte sind die Bindungen der Partei an die unteren Schichten, die sich bereits während der 80er Jahre gelockert hatten, völlig zerrissen. Wie überall haben in Italien die Niederlagen, die Prekarisierung, das Outsourcing etc. dazu beigetragen, das Terrain zu destabilisieren, in dem die KPI verwurzelt war. Aber mehr als sonstwo hat in Italien die Krise der Großfabriken die Reorganisierung der Lohnabhängigen in jeder Form erschwert. Als es Ende der 60er Jahre einen starken Anstieg der Arbeiterkämpfe gab, verfügte Italien über ein Netz von Industriekomplexen, das zu den größten in Europa zählte und bis Mitte der 80er Jahre zum Ausgangspunkt der sozialen Kämpfe wurde. Aber um diese großen Fabriken herum siedeln sich kleine und kleinste Unternehmen an, die oft unter dem Druck stehen, sich an Fiskus, gesetzlichen Auflagen und Konflikten mit den Gewerkschaften vorbei zu lavieren. Nachdem die großen Fabriken geschlossen worden sind, ist das ganze Gefüge auseinander gebrochen und zerfallen, wodurch die Konsequenzen dieser ansonsten universalen Entwicklung für Italien besonders schwerwiegend waren.

Wie überall hat in Italien der systematische Abbau der tariflichen Arbeitsplätze die Gewerkschaften geschwächt, auch wenn die CGIL in gewissem Maß weiterhin handlungsfähig ist und über sie die PD noch über indirekten Zugang zu den unteren Schichten verfügt.

Stärker als in anderen Ländern hat die Krise der italienischen Gewerkschaften irreparable Schäden hinterlassen. Nach 1969 waren die Gewerkschaften knapp zwanzig Jahre lang in Form von Räten, die von den ArbeiterInnen gewählt wurden, organisiert und diese Räte waren von fundamentaler Bedeutung in den Zeiten der großen Kämpfe und Widerstandsaktionen. Der Niedergang und das schließliche Ende des „Rätesyndikalismus“ waren nicht nur die Folge sondern zugleich die Ursache der Zersetzung der sozialen Strukturen. Die Arbeiterklasse in den großen Fabriken (Fiat, Alfa Romeo, Italsider etc.) erlitt eine entscheidende Niederlage gegen die Unternehmer, weil eben die Räte die Kraftprobe mit der Gewerkschaftsbürokratie verloren haben. Wie sehr sich die Bürokratie – und leider sie allein – der Bedeutung dieses Konflikts voll bewusst war, davon zeugt die Lektüre der damaligen Gewerkschaftspresse.

DER STRUKTURELLE WANDEL DES PARTEIMODELLS

Die Aufspaltung und Streuung der Lohnabhängigen erschweren deren Reorganisierung in jeder Hinsicht. Aber jenseits dieser objektiven Schwierigkeiten stellt sich die PD gar nicht erst den Problemen, zu deren Lösung sie strukturell unfähig ist. Und dieser Umstand verdammt die linken Kräfte innerhalb der Organisation zu ewigem Verlieren. Sie waren sich zwar oft darüber im Klaren, welcher Voraussetzungen es bedurfte, um den Verfall der sozialen Kräfteverhältnisse aufzuhalten, aber sie richteten sich damit an eine Partei, die weder fähig noch willens war, sich damit aufzuhalten.

Seit 1997 ist die Bildung von Strömungen innerhalb der Partei erlaubt. Aber da gibt es Überschneidungen und Vermischungen mit anderen Interessenssphären, wo es um Macht geht. Die vormals monolithische Partei hat einen zunehmenden Balkanisierungsprozess durch-gemacht, in dem führende Mitglieder eine Entourage von Zeitungen, Magazinen, Stiftungen, Verbänden etc. schaffen, um Karriere zu machen. Dieser Mechanismus erinnert an die „Notabeln“ in der früheren Christdemokratie, in der bestimmte Personen die Mitgliedschaften und die Klientel kontrollierten. Allerdings verhält es sich nicht so, dass für diese Zustände in der PD v. a. die ehemaligen Christ-demokraten verantwortlich wären. Überwiegend handelt es sich dabei um einen substantiellen Umwandlungsprozess innerhalb der Bürokratie der KPI, der in gewisser Weise mit dem der ehemaligen Nomenklatura in Osteuropa vergleichbar ist. Die immerwährende Anpassung an das bestehende politische und soziale Umfeld und die Auswahlkriterien für den Führungsnachwuchs haben eine Politikerkaste herangezüchtet, die von primitiven materiellen Motiven und starken Partikularinteressen umgetrieben wird. Diese Führer, die in erster Linie um Posten in Partei und Institutionen schachern, haben absolut kein Interesse, sich mit der undankbaren und ungewissen Aufgabe zu befassen, die Arbeiterbewegung wieder aufzubauen. Indem das traditionelle Modell des Parteikaders quasi ausgestorben ist, ist auch das unerlässliche Bindeglied zwischen Parteiapparat und Gesellschaft verschwunden. Zwar verfügt die PD noch immer über Sektionen, aber die fungieren als Wahlkomitees und sind weit weniger effizient als in der Vergangenheit.

Dennoch bleibt es der PD unbenommen, dass sie noch immer in der Lage ist, Massen zu vereinen, Primärwahlen mit hunderttausenden von Teilnehmern durchzuführen und zu Massenkundgebungen aufzurufen. Aber dies sind Ausnahmeereignisse und das teilnehmende undifferenzierte „Volk“ aus Mitgliedern und SympathisantInnen bleibt bis zur nächsten Veranstaltung passiv.

EINE ANDERE GESCHICHTE

Um den Abgesang der KPI wirklich zu verstehen, müsste auch auf diejenigen eingegangen werden, die die „Wende“ abgelehnt und die Partei der Kommunistischen Wiedergründung (PRC) gegründet haben. Dieses Thema hätte eine lange Serie von Spaltungen, Ausschlüssen und Brüchen zum Inhalt.

Das Erbe der KPI teilen sich gegenwärtig diejenigen, die den Namen der PRC beibehalten haben, und diejenigen, die dem ehemaligen Parteivorsitzenden Fausto Bertinotti gefolgt sind und die Sinistra ecologia e Libertà (SeL) gegründet haben. Auch wenn sich deren Geschichte von der der PD unterscheidet, ähneln sich die Ergebnisse ziemlich: Misserfolge bei den Wahlen (weder PRC noch SeL konnten Sitze im italienischen oder europäischen Parlament erringen), ambivalente Haltung gegenüber den Interessen der Arbeiterklasse, Hammer und Sichel – ja oder nein, mangelnde soziale Verankerung, innere Zersplitterung, Aufweichung der Kaderstrukturen, interne Machtkämpfe, Pöstchenjägerei.

*Lidia Cirillo, Mitglied der nationalen Koordination von Sinistra Critica und Redakteurin der Zeitschrift ERRE. Mitglied der IV. Internationale seit 1966, Mitbegründerin des Weltfrauenmarsches in Italien und Gründerin der feministischen Zeitschrift QUADERNI VIOLA. Verfasserin zahlreicher Werke.

Übersetzung: MiWe

1 Enrico Berlinguer war von 1972 bis zu
seinem Tod 1984 Generalsekretär der KPI.
Er löste die KPI aus der Kuratel der UdSSR
und war federführend bei der Entstehung des
„Eurokommunismus“. Unter seiner Führung
erzielte die KPI im Juni 1976 ihr bestes
Wahlergebnis (33,4 % im Parlament und
33,8 % im Senat).

2 Luca Telese: Qualcuno era comunista,
Sperling&Kupfer, 2009, S. 90

3 Dieser Ausdruck bezeichnet die
Regierungskoalition in Italien 1980–1992, die
aus fünf Parteien bestand: der Christdemokratie
(DC), der Sozialistischen Partei Italiens (PSI),
der Italienischen Sozialdemokratischen Partei
(PSDI), der Italienischen Republikanischen
Partei (PRI) und der Italienischen Liberalen
Partei (PLI)