| Nach 
                                  Angaben des Deutschen Städtetags sanken 
                                  die Steuereinnahmen der Kommunen 2009 um sieben 
                                  Milliarden Euro. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer, 
                                  der Haupteinnahmequelle der Kommunen, sind um 
                                  18 Prozent gesunken. Die Gewerbesteuer wird 
                                  von ortsansässigen Handwerks-, Industrie- 
                                  und Handelsunternehmen an die jeweilige Stadt 
                                  oder Gemeinde entrichtet. In 
                                  einzelnen Gemeinden sanken die Gewerbesteuereinnahmen 
                                  sogar um 60 bis 80 Prozent. Das war vor allem 
                                  in Regionen der Fall, deren Industrie bis 2008 
                                  noch gut ausgelastet war und im letzten Jahr 
                                  drastisch einbrach - wie Teile der Auto- und 
                                  Zulieferindustrie, des Maschinenbaus und der 
                                  Stahl- und Chemieindustrie. Gleichzeitig 
                                  sind die kommunalen Sozialausgaben, darunter 
                                  die Unterbringungskosten für Hartz-IV-Empfänger, 
                                  stark gestiegen. Diese Ausgaben erreichten 2009 
                                  eine Rekordhöhe von 40 Milliarden Euro. 
                                  Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen 
                                  Städtetags, Stephan Articus, erwartet, 
                                  dass die Kluft zwischen Einnahmen und Ausgaben 
                                  der Kommunen im laufenden Jahr einen Negativrekord 
                                  von 11 Milliarden Euro erreicht. Zusätzlich 
                                  zu den Auswirkungen der Wirtschaftskrise belastet 
                                  das von der schwarz-gelben Bundesregierung Ende 
                                  letzten Jahres beschlossene Wachstumsbeschleunigungsgesetz 
                                  die Kommunen. Durch Steuer-erleichterungen für 
                                  Unternehmen, Erben und Besserverdienende reduzieren 
                                  sich die Steuereinnahmen der Städte und 
                                  Gemeinden in diesem Jahr um 1,6 Milliarden Euro. Die 
                                  geringen Beträge, die Familien etwa durch 
                                  die Erhöhung des Kindergelds um 20 Euro 
                                  pro Monat zugute kommen, werden ihnen durch 
                                  höhere Kommunalgebühren für Kindergärten, 
                                  Kindertagesstätten und Ganztagsschulen 
                                  direkt wieder abgenommen. Zahlreiche verschuldete 
                                  Städte und Gemeinden haben bereits in den 
                                  vergangenen Jahren drastische Kürzungen 
                                  und Einsparungen bei der Infrastruktur, sozialen 
                                  und kulturellen Einrichtungen und Sozialleistungen 
                                  vollzogen. Spitzenreiter 
                                  ist dabei die Bundeshauptstadt Berlin. Sie gilt 
                                  als "Hauptstadt der Armut" und wird 
                                  seit neun Jahren von einer Koalition aus SPD 
                                  und Linkspartei regiert. Nirgendwo sonst sind 
                                  die öffentlichen Ausgaben derart dramatisch 
                                  gekürzt und Personal, Löhne und soziale 
                                  Leistungen derart rabiat abgebaut worden. Auch 
                                  die Zahl der Hartz-IV-Empfänger und der 
                                  Ein-Euro-Jobber erreicht in Berlin Rekordwerte. 
                                  Viele soziale und kulturelle Einrichtungen sind 
                                  geschlossen oder Gebühren und Eintrittspreise 
                                  drastisch erhöht worden. Auch 
                                  in vielen anderen ost- und westdeutschen Städten, 
                                  die seit längerem unter wirtschaftlichem 
                                  Niedergang und hoher Arbeitslosigkeit leiden, 
                                  gibt es ähnliche Probleme und Kürzungsmaßnahmen, 
                                  unter anderem in Nordrhein-Westfalen und hier 
                                  vor allem im Ruhrgebiet. Auch hier sind bereits 
                                  zahlreiche soziale Einrichtungen wie Jugendhäuser, 
                                  Schwimmbäder, Bibliotheken, Theater und 
                                  andere kulturelle Einrichtungen geschlossen 
                                  worden. Laut 
                                  einem Bericht der Süddeutschen Zeitung 
                                  vom 5./6. Januar 2010 können sich viele 
                                  westdeutsche Städte nur noch mit kurzfristigen 
                                  Krediten über Wasser halten. Selbst die 
                                  Stadt Leverkusen, zwischen Düsseldorf und 
                                  Köln am Rhein gelegen und Hauptsitz des 
                                  internationalen Chemiekonzerns Bayer Leverkusen, 
                                  gerät dieses Jahr in die Schuldenfalle. 
                                  Der Haushalt für 2010 weist bereits ein 
                                  Defizit von 106 Millionen Euro aus. Voraussichtlich 
                                  2015 werden die Schulden das Gesamtvermögen 
                                  der Kommune übersteigen. Wie 
                                  viele Ruhrgebietsstädte steht auch Leverkusen 
                                  unter einer Art Zwangsverwaltung. Sie muss sich 
                                  alle unbedingt nötigen Ausgaben, unter 
                                  anderem so elementare Dinge wie ein neues Fax-Gerät, 
                                  vorher von der Bezirksregierung genehmigen lassen. 
                                  Eine Situation, die Städte wie Oberhausen, 
                                  Essen und Wuppertal schon länger kennen. Die 
                                  Süddeutsche Zeitung zitiert den Präsidenten 
                                  des Städte- und Gemeindebunds Christian 
                                  Schramm, der gleichzeitig Oberbürgermeister 
                                  von Bautzen ist, mit den Worten: "In der 
                                  Kulturhauptstadt Essen werden Grundschulen geschlossen, 
                                  in Remscheid wird nachts die Straßenbeleuchtung 
                                  reduziert, und in anderen Gemeinden senkt man 
                                  die Wassertemperatur in den öffentlichen 
                                  Bädern. Sie werden sich fragen, was sind 
                                  das denn für seltsame Maßnahmen? 
                                  Die Frage ist berechtigt. Es sind Maßnahmen, 
                                  die hätte sich vor zehn Jahren keiner vorstellen 
                                  können." Auch 
                                  die Einrichtung neuer Betreuungsplätze 
                                  für Kinder unter drei Jahren, die vor allem 
                                  in Westdeutschland Mangelware sind, bringt die 
                                  Kommunen in Bedrängnis. Der Bundestag hat 
                                  beschlossen, dass bis zum Jahr 2013 alle Eltern 
                                  einen Rechtanspruch auf einen solchen Betreuungsplatz 
                                  haben. Die Finanzierung der Betreuungsplätze 
                                  obliegt den Kommunen, deren finanzielle Einnahmen 
                                  weg brechen. Aufgrund dieser Entwicklung hat 
                                  der Hauptgeschäftsführer des Deutschen 
                                  Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, 
                                  erklärt: "Diese Garantie ist nicht 
                                  einlösbar." Darüber 
                                  hinaus hat eine Umfrage des Forsa-Instituts 
                                  ergeben, dass 66 Prozent der Eltern einen Betreuungsplatz 
                                  für ihre Kinder in Anspruch nehmen wollen, 
                                  und nicht 35 Prozent, wie der Bundestag bei 
                                  Verabschiedung des Gesetzes erwartet hatte. 
                                  Dafür müssten 1,3 Millionen Plätze, 
                                  und nicht 750.000, wie ursprünglich geplant, 
                                  bereit gestellt und zusätzlich 150.000 
                                  Erzieherinnen ausgebildet und eingestellt werden. Zusätzlich 
                                  zu den Einnahmen der Kommunen aus der Gewerbesteuer 
                                  sinken auch ihre Einnahmen aus der Einkommenssteuer, 
                                  bedingt durch steigende Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit 
                                  und sinkende Arbeitnehmereinkommen. Die Kommunen 
                                  werden dabei von zwei Seiten in die Zange genommen: 
                                  Die Einnahmen brechen weg und die Ausgaben für 
                                  Sozialhilfe sowie für Wohn- und Heizkosten 
                                  für Hartz-IV-Empfänger steigen. Während 
                                  immer mehr Menschen auf Hilfe angewiesen sind, 
                                  stecken die Städte und Gemeinden in einem 
                                  finanziellen Dilemma. Wie 
                                  bei der Kinderbetreuung, wo der Bund die Verantwortung 
                                  den Kommunen aufgetragen hat, ohne sie mit den 
                                  nötigen finanziellen Mitteln auszurüsten, 
                                  haben Bundes- und Landesregierungen die Kommunen 
                                  in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Gesetze 
                                  zusätzlich belastet. So hat der Bund seine 
                                  Beteiligung an den Wohn- und Heizungskosten 
                                  für Sozialhilfe- und Hartz-IV-Empfänger 
                                  gesenkt, während die Ausgaben dafür 
                                  steigen. Alleine 
                                  bei der Stadt Dortmund stiegen die nicht durch 
                                  den Bund abgedeckten Kosten in diesem Bereich 
                                  innerhalb von zwei Jahren um 9,5 Millionen Euro. 
                                  Das Anwachsen der Schulden ist so unvermeidlich. 
                                  Laut einer Prognose des Städtetags Nordrhein-Westfalen 
                                  werden in diesem Jahr 47 Prozent der Städte 
                                  und Gemeinden keinen genehmigungspflichtigen 
                                  Haushalt aufstellen können und müssen 
                                  sich den strikten Kürzungsvorgaben der 
                                  zuständigen Bezirksregierungen unterwerfen. In 
                                  Wuppertal, das besonders stark von der Krise 
                                  betroffen ist, sollen in diesem Jahr fünf 
                                  Schwimmbäder geschlossen werden. Darüber 
                                  hinaus hat Oberbürgermeister Peter Jung 
                                  (CDU) vorgeschlagen, die bereits beschlossene 
                                  Sanierung des Theaters auszusetzen und die Subventionen 
                                  für das Theater im Laufe der kommenden 
                                  vier Jahre um zwei Millionen Euro zu kürzen. 
                                  Dies könnte zur Schließung des Theaters 
                                  führen, dass durch das Tanztheater Pina 
                                  Bauschs weltberühmt wurde. Der 
                                  Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen 
                                  Büssow, der in Nordrhein-Westfalen für 
                                  einen Großteil der unter Zwangsverwaltung 
                                  stehenden Städte zuständig ist, lobte 
                                  dieses Vorgehen und stellte es als Beispiel 
                                  für andere Städte dar, die sich in 
                                  Finanznot befinden. In einem Interview mit der 
                                  Westdeutschen Allgemeinen Zeitung erklärte 
                                  er: "Hier muss ich den Mut der Wuppertaler 
                                  betonen, ihr Schauspielhaus zu schließen." 
                                  Im gleichen Interview forderte er, dass mehrere 
                                  Städte ihre Stadtverwaltungen zusammenlegen 
                                  und auf diesem Wege Personalkosten einsparen. Im 
                                  Gegensatz zu den Banken und Finanzinstituten, 
                                  die Hunderte Milliarden Euro von der Bundesregierung 
                                  erhalten haben, können die Kommunen keine 
                                  solche Unterstützung erwarten. Geht es 
                                  um die sozialen und kulturellen Bedürfnisse 
                                  der Bevölkerung, ist kein Geld da. Bereits 
                                  die Große Koalition hat mit der im Grundgesetz 
                                  verankerten Schuldenbremse einen Mechanismus 
                                  geschaffen, um die Lasten der Krise der arbeitenden 
                                  Bevölkerung aufzubürden. |