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Atomstrom ist nicht billiger

Argumente gegen hartnäckige Unwahrheiten / von Jochen Stay

von Jochen Stay - SoZ - Sozialistische Zeitung, Oktober 2009


Die Produktionskosten von Atomstrom sind zwar geringer als die von herkömmlichem Strom. Doch billig wird Atomenergie trotzdem nicht verkauft.

Die Atomkraft wurde zum Wahlkampfthema, denn die Stromkonzerne RWE, Eon, EnBW und Vattenfall drängen auf Laufzeitverlängerungen für ihre alten AKW. CDU und FDP kündigen an, im Falle eines Sieges bei der Bundestagswahl im kommenden September wieder auf die Atomenergie zu setzen, und begründen dies neuerdings mit den drastisch steigenden Energiepreisen. Jeder, der an einer Tankstelle über den teuren Sprit klagt, soll mit der Verheißung von billigem Atomstrom gelockt werden.

Elektrizität aus abgeschriebenen Altreaktoren ist in der Tat billiger herzustellen als Strom aus Gas oder Kohle. Doch der Verkaufspreis für den gesamten Strom wird an der Leipziger Strombörse festgesetzt und richtet sich nach dem Preis, den die Kraftwerke mit den höchsten Produktionskosten verlangen. Somit zahlt also der Verbraucher denselben Preis für Atomstrom wie für Strom aus anderen Kraftwerken, und die AKW-Betreiber streichen die Differenz alleine ein. Das macht für jeden der 17 laufenden Meiler einen jährlichen Gewinn von 200 bis 300 Millionen Euro. Der Atomkonzern RWE hat errechnet, dass eine Verlängerung der Laufzeiten auf 50 bis 60 Jahre noch einmal zusätzlich 250 Milliarden Euro in die Kassen der vier großen Energieunternehmen bringen würde.

Dass die Energie aus den AKW derzeit als preiswerte Alternative dargestellt werden kann, hat einen einfachen Grund: Seit Beginn des Atomzeitalters hat der Staat nicht nur die ökonomischen Risiken der Stromerzeugung mittels Kernspaltung abgedeckt, sondern große Teile des Atomprogramms gleich selbst finanziert.

Insbesondere das schmutzige Ende der Atomwirtschaft fällt kaum denen zur Last, die jetzt daran verdienen. Der Bau von Forschungsreaktoren wurde in der Bundesrepublik bisher mit 20 Milliarden Euro subventioniert. In gescheiterte Atomprojekte wie Wackersdorf, Kalkar und Mülheim-Kärlich flossen 9 Milliarden Euro öffentliche Mittel. Die Sanierung der Uranabbaugebiete in Thüringen und Sachsen hat nach der Wiedervereinigung 6,6 Milliarden Euro Steuergelder verschlungen. Der 1990 begonnene „Rückbau” einer kleinen Pilotanlage zur Wiederaufarbeitung von Atommüll in Karlsruhe dauert voraussichtlich noch bis 2019 und kostet 3 Milliarden Euro, wovon staatlicherseits 2,5 Milliarden übernommen werden. Der Abriss der DDR- Atomkraftwerke in Greifswald kostet den Staat 3,7 Milliarden Euro. Dem Finanzminister sind bisher durch die steuerfreie Gewinne der Atomwirtschaft 23 Milliarden Euro entgangen, weil die Konzerne diese Summe als Rückstellungen für die „Entsorgung” deklariert, aber nicht wirklich zurückgelegt, sondern damit Firmenkäufe im In- und Ausland finanziert haben.

Betrieb und Stilllegung des einsturzgefährdeten „Endlagers” für schwachaktiven Müll in Morsleben (Sachsen-Anhalt) haben die Bundesrepublik bisher 1,2 Milliarden Euro gekostet. Die Aufwendungen für die Polizeieinsätze bei Anti-Atom-Demonstrationen und zur Durchsetzung der Castor-Transporte liegen insgesamt bei etwa 3 Milliarden Euro. Der Betrieb des absaufenden „Probe-Endlagers” Asse beläuft sich derzeit zwar auf vergleichsweise geringe 100 Millionen Euro jährlich. Müssen die 126000 Fässer mit schwach- und mittelradioaktivem Atommüll allerdings wieder herausgeholt werden, bevor die strahlende Suppe im Grundwasser ankommt, dann werden auch hier noch etliche Milliarden fällig.

Das Bundeswirtschaftsministerium rechnet bei einem Super-Gau in einem deutschen Reaktor mit einem volkswirtschaftlichen Gesamtschaden von 5000 Milliarden Euro. Versichert sind die Atomkraftwerke nur bis zu 2,5 Mrd. Euro, also gerade mal 0,5 Promille der möglichen Schadenssumme. Den Rest des Risikos trägt der Staat. Keine Versicherung der Welt ist bereit, diesen Schaden abzudecken. Und würde sich eine finden, wäre sie so teuer, dass Atomstrom unverkäuflich wäre. Bleibt noch zu erwähnen, dass hierzulande auf die Brennstoffe Öl, Gas und Kohle Steuern erhoben werden, der Kernbrennstoff Uran dagegen steuerbefreit ist.

Holger Krawinkel, Energiefachmann des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, rechnete den Anhängern des Atomstroms rund um Kanzlerin Angela Merkel vor, wie groß die Entlastung wirklich wäre, würden zwei Drittel der Reaktoren zehn Jahre länger laufen als ursprünglich geplant. Er kam auf eine Ersparnis von etwa 50 Cent pro Monat für einen Durchschnittshaushalt. Sein Fazit: „Schon der Austausch einer 60-Watt-Glühbirne durch eine gleich helle 11-Watt-Energiesparlampe bringt bereits eine Ersparnis von 60 bis 90 Cent pro Monat."

Der Autor ist seit 1996 mit Unterbrechungen Sprecher der Anti-Atom-Kampagne „X-tausendmal quer” gegen die Castor-Transporte nach Gorleben.