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Irak/USA

US-Krieg immer brutaler: Eskalation der Gewalt
und Geheimgefängnisse weltweit

Von Phil Hearse* aus International Viewpoint Nr. 368, Juni 2005

Übersetzung: Björn Mertens

 

*Phil Hearse ist langjähriger revolutionärer Sozialist in Britannien.

Die Bush-Regierung kämpft ein verzweifeltes Rückzugsgefecht gegen die weltweiten Proteste gegen ihre Internierungs- und Folterpraktiken, darunter besonders einen Bericht von Amnesty International, der Guantánamo als „neuen Gulag“ bezeichnet. Zur gleichen Zeit erreicht die Repression im Innern des Iraks einen neuen Höhepunkt; die Streitkräfte der USA und ihrer irakischen Verbündeten greifen zu immer unterschiedsloseren Angriffen und Verhaftungswellen. Dieser Artikel behandelt in seiner ersten Hälfte den Krieg im Irak und dann das weltweite System geheimer Gefängnisse und Folterzentren.

Für das Ziel der USA, die Widerstandskämpfer militärisch zu zerschlagen, war April ein schwarzer Monat. Insgesamt 77 US-Militärangehörige wurden getötet – die höchste Zahl seit dem Angriff auf Faludscha im letzten November – und einige Hundert irakische Soldaten und Polizisten. US-Militärangaben zufolge haben sich Angriffe Aufständischer seit Anfang des Jahres verdoppelt. In einigen Gebieten gehen die Kämpfe in regelrechte sunnitisch-schiitische Schlachten über, während anderswo Schiitenkämpfer US-amerikanische und britische Truppen angreifen. Hunderte wurden bei Bombenanschlägen getötet.

Die US-Streitkräfte haben ihre Bemühungen verstärkt, die Widerstandskämpfer in offene Kämpfe zu verwickeln. Anfang Mai starteten Tausende von Marineinfanteristen die „Operation Matador“ in der Provinz Anbar, dem Wüstengebiet westlich Bagdad. Sie wollten Kämpfer finden und eliminieren sowie den Zufluss von Kämpfern über die syrische Grenze zu verstopfen.

Die Los Angeles Times schrieb: „Sieben Tage lang rumpelten die Marines durch Wüstendörfer und kämpften hitzige Gefechte gegen einen erstaunlich gut koordinierten Feind. Am ersten Tag der Operation schienen die Aufständischen noch die Stellungen halten und gegen die Marines kämpfen zu wollen, doch glauben US-Militärvertreter jetzt, dass das nur eine Taktik war, um den Vormarsch der US-Truppen in die Region Ramana nördlich des Euphrat zu verzögern. Diese Verzögerung könnte vielen Aufständischen Zeit verschafft haben, nach Syrien zu fliehen.“

„Das ist ein extrem frustrierender Kampf", sagt Major Steve White, Operationsleiter des 3. Bataillons der 25. Marineregiments. "Diese Jungs zu jagen ist wie Wasser schöpfen. Immer verliert man was.“

„Eine Pressemitteilung des Militärs erklärte die Mission zum Erfolg. Die US-Truppen hätten mehr als 125 Aufständische getötet. Neun Marineinfanteristen seien in der Operation getötet und vierzig verwundet worden.“

„Doch sofort nach Abschluss der Aktionen wurden die Marines wieder über den Euphrat zurückgezogen und keine Präsenz der US-amerikanischen oder irakischen Regierung in der Region zurück gelassen – was allgemein als großer Fehler bei der Aufstandsbekämpfung gilt.“ [1]

Wahllose Bombardierungen

Einheimische beklagen, dass die Marines völlig wahllos Dörfer aus der Luft bombardiert haben und sie bei der Rückkehr ihre Häuser in Trümmern vorfinden mussten. Viele US-Beobachter zogen daraus den Schluss, dass es einfach nicht genug US-Truppen in dem Gebiet – oder im Irak insgesamt – gebe, um den Guerillakrieg erfolgreich zu unterbinden.

Seit Anfang des Jahres begannen die US-amerikanischen Streitkräfte auf der Suche nach vermuteten Aufständischen ganze Stadtteile, besonders in Bagdad, zu durchkämmen. Hunderte wurden dabei festgenommen. Am 23. Mai durchkämmten Tausende US-amerikanischer und irakischer Soldaten die Vororte Bagdads in einer „Operation Squeeze Play“ [2 ] und inhaftierten nach eigenen Angaben 437 Personen.

Dazu sagte Tom Lasseter: „Im Schleppnetz wurden aber anscheinend auch Zuschauer gefangen. Einige Irakis meinten, dass die „Operation Squeeze Play“ wohl einige Aufständische von den Straßen geholt hat, aber sicher auch den Kreislauf antreiben wird, der die amerikanische Präsenz seit zwei Jahren jagt: gemäßigte Iraker verärgern und damit Aufständischen ein freundlicheres Umfeld schaffen, in dem sie ihre Angriffe ausführen können.“ [3]

Sektenmorde und Todesschwadronen

Der Ausbruch von Kämpfen zwischen Sunniten und Schiiten in einigen Städten und ein wahrer Krieg von „Wie du mir, so ich dir“-Attentaten führt nur noch tiefer in den Morast. Die Anzahl der gefundenen Leichen macht klar, dass hier Todesschwadronen operieren, und es ist nicht klar, wer genau sie sind. Dazu sagt Mohammed Bazi: „Die Anzeichen eines Sektenkriegs sind im Irak heute allgegenwärtig: Geistliche, die außerhalb ihrer Moscheen ermordet werden, Dutzende Exekutionsopfer, die in Gräben gefunden werden, und Autobomben, die große Opfer unter der schiitisch-moslemischen Bevölkerungsmehrheit verursachen.“

„Fast vier Monate nach den irakischen Wahlen, als Millionen Iraker den Drohungen der Aufständischen trotzten und ein neues Parlament wählten, droht die Sektengewalt jetzt das Land in einen Bürgerkrieg zu ziehen. Die meisten Opfer waren bisher Schiiten, die Ziel sunnitischer Anschläge waren. Aber die jüngsten mehr als 50 Leichenfunde im ganzen Irak – Männer beider Konfessionen, die offensichtlich entführt und ermordet wurden – beleuchten ein neues Problem: eine Welle von Rachemorden zwischen Sunniten und Schiiten. [4]

Anfang des Jahres wurden in den USA Pläne erwogen, ein Attentatsprogramm zu starten, um zu versuchen Aufstandsführer zu eliminieren. Dazu der UN-Waffeninspekteur Scott Ritter: „…der Pentagon erwägt die Organisation, Ausbildung und Ausrüstung so genannter Todesschwadronen, Gruppen irakischer Attentäter, die eingesetzt werden sollten, die Führung des irakischen Widerstands zu infiltrieren und zu eliminieren.

„Dies wurde die 'salvadorianische Option’ genannt, in Bezug auf ähnliche US-gestützte Todesschwadronen, die in den 80er Jahren die Bevölkerung El Salvadors terrorisierten, obwohl der erwogene Plan seine Wurzeln eigentlich im 'Phönix-Programm’ des Vietnam-Kriegs hatte, wo von den USA geführte Attentäter Tausende bekannter oder vermeintlicher Vietcong-Kollaborateure töteten.“

„Vielleicht ist es ein Zeichen der Verzweiflung, die sich im Pentagon breit macht, oder eine Unterschätzung der ideologischen Perversität der Verantwortlichen, dass US-Militärs zu gescheiterten Programmen der Vergangenheit greifen könnten, um unlösbare Probleme der Gegenwart zu lösen.“ [5]

Wenn die USA Todesschwadronen eingesetzt oder heimlich unterstützt hätten, wäre dies nicht das erste Mal im Irak gewesen. Dazu Ritter: „Die 'salvadorianische Option’ wäre nicht der erste Einsatz von Attentaten als Mittel der Besatzung durch die USA im Irak gewesen. In den Monaten nach Paul Bremers Übernahme der Provisorischen Koalitionsbehörde (CPA) im Juni 2003 wimmelte es auf den Straßen von Bagdad nur so von Mordkommandos.“

„Zu den wirkungsvolleren und brutaleren dieser Einheiten gehörten diejenige, die aus der Badr-Brigade gebildet waren, der bewaffneten Miliz der politischen Partei der Schiiten, bekannt als Oberster Rat der islamischen Revolution im Irak (SCIRI). Auch wenn es nie öffentlich zugegeben wurde, erlaubte die von den verschiedenen Anti-Saddam-Milizen bei der Bekämpfung der Reste von Saddams früher regierender Baath-Partei gespielte Rolle einen kurzen Blick auf das, was ein unausgesprochenes Element der US-Politik der Ent-Baathifizierung ist – lasst die Irakis die Drecksarbeit machen.“

„Die SCIRI-Aktionen zur Auslöschung der immer noch zu Saddam Hussein loyalen Reste der Baath-Partei oder von Verbrechen gegen die SCIRI oder ihre Sympathisanten Beschuldigten, lenkten die Aufmerksamkeit auf die 'dunkle’ Seite der CPA-geführten Ent-Baath-ifizierungsbemühungen – Geheimaktionen der CIA oder spezieller US-Eliteeinheiten. Von allen Beteiligten dieses tödlichen Spiels erwiesen sich die Badr-Milizen als die bereitwilligsten und fähigsten im Kampf gegen Baath-Widerstandsnester. Nach Tipps von CPA-Geheimagenten töteten Badr-Mordkommandos Dutzende Baathisten in und um Bagdad.“

Brutaler Kolonialkrieg

Jetzt haben die USA beschlossen, Bagdad mit Truppen zu überschwemmen, um Bombenattentate der Aufständischen zu erschweren. Die „Operation Lightning“ [„Blitz“] hat zum Ziel, 40.000 US und irakische Soldaten ständig um die Stadt herum zu stationieren. Insgesamt verfolgen die USA also trotz des Einsetzens einer provisorischen Regierung den klassischen Weg aller brutalen Kolonialkriege – in Aden, Kenia, Algerien, Vietnam und vielen anderen Ländern: auf ungelöste Aufstände mit drastisch verschärfter Gewalt und Repression zu reagieren, die immer wahlloser wird und mehr und mehr die Zivilbevölkerung bestraft.

Nichts demonstriert mehr die Gefühllosigkeit gegenüber irakischen Zivilisten als die anhaltende Notlage der 200.000 und mehr Flüchtlinge aus dem zerstörten Stadt Falludscha, die von den Marieninfanteristen im letzten November eingeebnet wurde. Die meisten stecken in erbärmlichen Lagern und haben keine Möglichkeit, in ihre zerstörten Häuser zurückzukehren. Joanthan Steele und Dhar Jamail [6] schreiben dazu im britischen Guardian: „In den 1930er Jahren wurde die spanische Stadt Guernica zum Symbol für Mord und Zerstörung. In den 1990er Jahren wurde Grosny von den Russen brutal eingeebnet, es liegt immer noch in Trümmern. Das unvergessliche Monument dieses Jahrzehnts für Brutalität und Militärgewalt ist Falludscha.“

Friedensaktivist Milan Raj, Gründer der „Voices in the Wilderness“ (Stimmen in der Wildnis), hat detailliert ermittelt, warum Falludscha ein Zentrum des Widerstands wurde, und sein Bericht ist ein erneuter Beleg für die Gefühllosigkeit der US-Truppen. [7]

Er schreibt: „ Aber warum wurde Falludscha das Herz des irakischen Aufstands? Für die Antwort müssen wir auf die Ereignisse im April 2003 zurückblicken, als US-Truppen in die friedliche Stadt Falludscha eindrangen und die dortige Oberschule besetzten. Einheimische waren aufgebracht wegen der US-Besetzung und forderten die Wiedereröffnung der Schule. Am Abend des 28. April, fast drei Wochen nach dem Sturz des Regimes, demonstrierten sie vor dem Gebäude. US-Soldaten feuerten auf die Menge und töteten 13 Zivilisten.“

„Das ist dieselbe Zahl von Zivilisten, die von britischen Soldaten am „Bloody Sunday“ (Blutsonntag) 1972 in Derry in Nordirland getötet wurden. Das Falludscha-Massaker war Iraks „Bloody Sunday“, eine ähnlich unerträgliche Ungerechtigkeit, die zum Auslöser bewaffneten Widerstands wurde. Nach offiziellen US-Angaben hatten 25 bewaffnete Zivilisten, die sich unter die Menge gemischt und auf benachbarten Hausdächern versteckt hatten, auf Soldaten der 82. Luftlandedivision geschossen, was zu einem 'Feuergefecht’ führte. (BBC News Online, 29. April 2003). Phil Reeves, Korrespondent des Independent on Sunday, führte eine sorgfältige, unabhängige Untersuchung durch und kam zu dem Schluss, dass die offizielle Darstellung eine 'höchst unwahrscheinliche Version der Ereignisse’ sei.“

„Trotz dieser Gräueltaten, deren Zeuge sie geworden waren, protestierten die Bewohner von Falludscha weiter gewaltfrei. Eine weitere Demonstration wurde am 30. April durchgeführt, zwei Tage nach dem Schul-Massaker.“

„Bei diesen Protesten erschossen die US-Soldaten wieder zwei unbewaffnete Demonstranten. Keiner der US-Soldaten wurde verletzt oder getötet, trotz der Behauptung, sie seien zuerst beschossen worden. Reporter des britischen Daily Mirror standen zwei Meter neben dem US-Soldaten, der das Feuer auf die Demonstranten eröffnete. Ein Junge 'schleuderte eine Sandale auf den US-Jeep mit dem schweren M2-Maschinengewehr an der Rückseite, der am Ende einer Kolonne anderer Fahrzeuge fuhr’. Der Soldat am MG duckte sich kurz und 'drückte dann den Auslöser durch’, um eine 20 Sekunden lange Salve Automatikfeuers in die 'tausendköpfige unbewaffnete Menge’ zu schießen.“

„Nach zwei „Bloody Sundays“ innerhalb von drei Tagen griffen die Bewohner nun entschlossen zur Gewalt. Chalaf Abed Schebib, ein Stammesführer aus Falludscha, erklärte einige Tage später: 'Die Menschen sind bereit, in dieser Schlacht zu sterben.’ Zwei Tage nach dem Massaker vom 30. April, musste ein örtlicher Imam eine Demonstration absagen, nachdem er sah, wie sich Protestierende Handgranaten in die Taschen stopften.“

Weltweiter Gulag

Nach detaillierten Ermittlungen zahlreicher Journalisten und Menschenrechtsorganisationen entsteht ein genaues Bild des weltweiten Netzes von Internierungs- und Folterzentren der USA. Geheime Hafteinrichtungen in Afghanistan werden immer mehr zur Grundlage, aber der US-Rechtsanwaltsorganisation „Human Rights First“ (Menschenrechte zuerst) [8] zufolge gibt es zusätzlich zu Afghanistan und Guantánamo Bay mindestens 22 Hafteinrichtungen im Irak, ein bestätigtes und zwei vermutete Lager in den USA selbst, zwei in Pakistan, ein CIA-Verhörzentrum in Jordanien und wahrscheinlich eine Art Internierungs- und Verhörzentrum auf der US-Basis im britischen Diego Garcia. Dazu schreiben Adrian Levy und Cathy Scott-Clark [9] „Die schwankende Bewohnerzahl dieser „Geisterlager“ überschreitet nach Angaben von US-amerikanischen und britischen Vertretern inzwischen die Zahl 10.000.“

„Was man in Afghanistan erkennen konnte, war ein radikaler Plan, Guantánamo Bay zu ersetzen. Als das Gefangenenlager im Januar 2002 eingerichtet wurde, war es vor allem ein Gulag auf hoher See – außerhalb der Reichweite der US-Verfassung und der Genfer Konvention. Das alles änderte sich im Juli 2004. Das Oberste Gericht der USA entschied, dass das Bundesgericht in Washington zuständig für einen Fall war, der darüber entscheiden würde, ob das Festhalten auf Kuba ein Verstoß gegen Verfassung, Gesetze oder Verträge der USA wäre.“

„Auch die Militärkommissionen, die über die Gefangenen Recht sprechen sollten, waren in eine desolaten Zustand. Anklagen waren nicht vorbereitet und Verteidigungsfälle nicht ausgeschrieben, weshalb der Verband der US-Strafverteidiger die Kommissionen als unethisch einstufte; eine Entscheidung, die von einem Bundesrichter gestützt wurde, der sie im Januar für 'illegal’ erklärte. Guantánamo versank plötzlich im Sumpf nationaler Rechtsstreitigkeiten und hatte damit seinen praktischen Nutzen verloren. So übernahm ein in den letzten drei Jahren aufgebautes weltweites Netz von Gefängnissen außerhalb der Reichweite amerikanischer oder europäischer Rechtssprechung augenblicklich diesen Job. Die Entwicklung wurde sichtbar, als das Pentagon letzte Woche erklärte, dass die Hälfte der 540 Insassen von Guantánamo in Gefängnisse in Afghanistan oder Saudi-Arabien überführt werden sollen…“

„Gefangenentransporte bewegen sich im Zick-Zack durch das Land (Afghanistan) durch ein sich immer mehr ausdehnendes Netz von Gefängniseinrichtungen. Neben den Lagern in Gardez vermutet man Anlagen in den Städten Chost, Asadabad und Dschalalabad, wie auch ein offizielles US-Haftzentrum in Kandahar, das wegen seiner Haftbedingungen von früheren Gefangenen den Spitznamen 'Camp Slappy’ (Ohrfeigenlager) bekommen hat. Es gibt weitere 20 Einrichtungen in abgelegenen US-Stützpunkten und -Feuerstellungen, die ein 'Sammellager’ auf dem Fliegerhorst Bagram ergänzen. Der CIA hat eine Einrichtung in Bagram und eine weitere mit dem Namen 'Salt Pit’ (Salzbergwerk) in einem ehemaligen Ziegelwerk nördlich von Kabul. Vermutlich werden mehr als 1500 Gefangene aus Afghanistan und vielen anderen Ländern in solchen Gefängnissen festgehalten, obwohl niemand es sicher weiß, weil das US-Militär jeden Kommentar verweigert.“

„Jeder, der den Gefangenentransporten in die Quere kam, wurde mit brutaler Gewalt aus dem Weg geschafft. Bidar zeigte uns eine kleine Schiiten-Siedlung am Rande der Stadt, wo mehrere Todesfälle immer noch untersucht werden. Auf einem gefrorenen Hof saß ein früherer Polizist, Said Sadr (25), neben seinen Krücken. Am 1. Mai 2004 hatte er Dienst an einem Kontrollposten, als ein Wagen durchraste. 'Drinnen saßen wie Araber gekleidete Männer, die aber westlicher Herkunft waren’, sagte er. 'Sie hatten Gefangene im Wagen.’ Sardar feuerte einen Warnschuss, um den Wagen zu stoppen. 'Die westlichen Männer erwiderten das Feuer und innerhalb von Minuten schwebten zwei US-Kampfhubschrauber über uns. Sie feuerten drei Raketen auf die Polizeistation. Eine heulte direkt hinter mir. Ich sah ihren Feuerschweif und dann verlor ich das Bewusstsein.’…“

„Uns liegen Briefe von Gefangenen, freigegebene FBI-Unterlagen, Vernehmungsprotokolle, Zeugenaussagen und Stellungnahmen von Vertretern der USA und Großbritanniens vor, die die in Afghanistan angeblich angewandten Methoden dokumentieren – Fesseln, Kapuzen, Elektroschocks, Peitschen, Scheinhinrichtungen, sexuelle Erniedrigung und Hunger – und nahe legen, dass sie im ganzen Netz praktiziert werden. Sir Nigel Rodley, ein früherer UNO-Sonderermittler für Folter, sagte: 'Je mehr geheime Gefangenenlager es gibt, desto wahrscheinlicher ist es, dass alle juristischen und moralischen Schranken staatlichen Handelns fallen werden.’“

 

Verdächtige zur Folter transferiert

Einer der übelsten Aspekte des weltweiten Systems von Folter und geheimer Einkerkerung ist das „Transferieren“ von Verdächtigen an ihre Herkunftsländer oder Drittstaaten, wo sie gefoltert werden. Der CIA betreibt über eine Tarngesellschaft einen Gulfstream-Jet, der Gefangene zu verschiedenen US-Einrichtungen transportiert oder sie zur Folterung an andere Staaten „transferiert“.

Eines der vielen Beispiele ist der folgende von Levy und Scott Clark beschriebene Fall zwei ägyptischer Flüchtlinge in Schweden, die auf Anordnung der USA in ihr Heimatland transferiert wurden: „Am 18. Dezember 2001 waren Agiza und ein zweiter ägyptischer Flüchtling, Mohammed Al-Zery, vom schwedischen Geheimdienst auf Anforderung der USA verhaftet worden. Sie wurden gefesselt und mit verbundenen Augen zum Stockholmer Flughafen Bromma gefahren. Dort wurden sie geschlagen und entkleidet. Beiden Männern wurden Zäpfchen in den Darmausgang geschoben. Dann wurden ihnen Plastikwindeln angelegt, sie in Springeranzüge gesteckt und einer amerikanischen Besatzung übergeben, die sie in einem Privatjet aus Schweden hinaus flog.“

„Agiza und Al-Zery landeten am nächsten Morgen früh um 3:00 Uhr in Kairo und wurden zum Ermittlungsbüro des Staatsschutzes gebracht, wo sie in unterirdischen Einzelzellen landeten. Mohammed Zarai, früherer Leiter des Kairoer Menschenrechtszentrum zur Unterstützung von Gefangenen, berichtet uns, dass Agiza immer wieder mit Elektroschocks gequält, an den Füßen aufgehängt, mit Elektrokabeln ausgepeitscht und schließlich ins Krankenhaus gebracht werden musste, nachdem man ihn gezwungen hatte, den Boden seiner Zeller sauber zu lecken.“

Amnesty verurteilt Bush

Ende Mai verunglimpfte George W. Bush den neuen Bericht von Amnesty International „Guantánamo und mehr: Die Ausübung unkontrollierte Exekutivmacht geht weiter“ [10] als lächerlich. Amnesty nennt Guantánamo den „neuen Gulag“. Bush antwortete, einst werde man die Besetzung Iraks als „goldenen Moment“ in der Geschichte der USA betrachten.

Ton und Sprache des Amnesty-Berichts sind beispiellos. Trotz ihrer Unbeliebtheit bei repressiven Regierungen wacht Amnesty eifersüchtig über ihre politische Neutralität und „Respektabilität“ – und tatsächlich sind dies Voraussetzungen, um überhaupt Druck auf Regierungen ausüben zu können. Aber in diesem Fall war Amnesty sogar bereit, unmittelbar auf Bush zu antworten und ihm vorzuwerfen, dass er wieder einmal versäumt hat, die Probleme anzugehen.

„Guantánamo ist nur der sichtbare Teil des Problems. Es mehren sich die Indizien, dass die USA ein ganzes Netz von Hafteinrichtungen betreibt, in denen Menschen geheim und ohne entsprechenden juristischen Rahmen festgehalten werden – von Afghanistan bis Irak und darüber hinaus“, sagt Amnesty International.

„Die US-Verhör- und Verhaftungspolitik und -praxis im 'Krieg gegen den Terror’ haben vorsätzlich und systematisch das absolute Verbot von Folter Misshandlung gebrochen. Personen in US-Gewahrsam wurden zu Verhören in Länder transferiert, von denen bekannt ist, dass sie foltern.“

„Wenn Präsident Bush und seine Regierung es ernst ist mit Freiheit und Menschenwürde, sollten sie die Regeln von Gesetz und Menschenrechten wieder anerkennen.“ Amnesty fordert dann:„

- Ende aller geheimen und von der Außenwelt isolierten Inhaftnahmen

- Freien Zugang für das Internationale Komitee des Roten Kreuzes zu allen Gefangenen, einschließlich denen, die an geheimen Orten festgehalten werden

- Zugang zu Rechtsmitteln für alle Gefangenen

- Einrichtung einer völlig unabhängigen Kommission zur Untersuchung aller Beschuldigungen von Folter, Misshandlung, willkürlicher Verhaftung und 'Verschwindenlassens’

- Jeden vor Gericht zu stellen, der für das Zulassen von Menschenrechtsverletzungen verantwortlich ist.“

Amnesty zufolge haben die USA während des „Kriegs gegen den Terror“ mehr als 70.000 Menschen verhaftet.

Der unermüdliche britische Nahost-Kommentator Robert Fisk liefert in einem weiteren brillanten Artikel im Independent [11] eine brennende Anklage des ganzen Treibens: „Zwei Jahre nach dem 'Mission Accomplished’ (dem von Bush erklärten 'Auftrag ausgeführt’) haben die USA jegliches moralische Ansehen, das sie nach dem Ende ihrer Invasion vielleicht beanspruchen konnten, durch die Folter, den Missbrauch und die Toten in Abu Ghraib vollständig verspielt. Dass sich dieses Symbol der Brutalität Saddam Husseins durch seine Feinde in ein Symbol ihrer eigenen Brutalität verwandelte, ist eine außergewöhnlich ironische Grabinschrift für das ganze Irak-Abenteuer. Wir alle sind beschmutzt worden von der Grausamkeit der Verhörspezialisten, Wachen und Gefängniskommandanten.“

Wie konnte diese Schmutzkultur in Amerikas „Krieg gegen den Terror“ eindringen? Das institutionalisierte Unrecht, das wir überall auf der Welt erleben mussten, die scheußlichen amerikanischen „Transferierungen“, bei denen Gefangene in Länder verfrachtet werden, in denen sie geröstet, unter Strom gesetzt oder wie in Usbekistan lebend in Fett gekocht werden? Wie Bob Herbert in der New York Times schrieb, ist das was zunächst als völlig geisteskrank erschien, als sich die ersten Bilder aus Abu Ghraib verbreiteten, jetzt Routine und typisch für den Missbrauch, der „die Operationen der Bush-Regierung durchdrungen hat.“

„Angesichts eines Aufstands, der immer brutaler und unkontrollierbarer wird, ist die Leere von Mr. Bushs dümmlicher Prahlerei offensichtlich. Die wirkliche Mission [12] scheint es gewesen zu sein, die Grausamkeit der westlichen Armeen zu institutionalisieren, die uns für immer mit den Abscheulichkeiten von Abu Ghraib, Guantánamo und Bagram befleckt – ganz zu schweigen von den Geheimgefängnissen, die nicht einmal das Rote Kreuz besuchen kann und in denen wer weiß was für Scheußlichkeiten verübt werden. Was, so frage ich mich, wird unsere nächste 'Mission’ sein?“

Naomi Klein gibt deutliche Antworten auf Fisks rhetorische Fragen in ihrem jüngsten Artikel über Folter. [13] Bei der Folter, sagt sie, geht es nicht um Informationsgewinnung, es geht um Einschüchterung und Kontrolle, den Feinden und potenziellen Feinden Angst einzujagen. „Dies ist der wahre Zweck der Folter: zu terrorisieren, Schrecken zu verbreiten – nicht nur bei den Menschen in den Käfigen von Guantánamo oder den Isolationszellen in Syrien, sondern auch und vor allem bei der breiteren Bevölkerung, die von dem Missbrauch hört.“

„Folter ist eine Maschinerie mit dem Ziel, den Willen zum Widerstand zu brechen – den Willen des Individuums und den Willen der Gemeinschaft … die einzig vernünftige Erklärung für die anhaltende Popularität von Folter kommt aus der unwahrscheinlichsten Quelle. Lynndie England, das gefallene Mädchen von Abu Ghraib, war in ihrem verpfuschten Prozess gefragt worden, warum sie und ihre Kollegen nackten Gefangene zu einer Menschenpyramide gezwungen hatten. 'Um sie zu kontrollieren’, hatte sie geantwortet. Genau. Als Verhörmethode ist Folter eine Pleite. Aber wenn es um soziale Kontrolle geht, wirkt nichts so wie Folter.“


Dieser Artikel erschien in der Online-Ausgabe von Inprekorr.


[1] “Insurgents Flourish in Iraq’s Wild West”, Mark Mazzetti and Solomon Moore, Los Angeles Times 24.5.2005

[2] Auf Deutsch etwa: „Operation Ausquetschen“. „Squeeze Play“ ist eigentlich ein Spielzug beim Baseball, der der Verwirrung der verteidigenden Mannschaft dient (http://baseball-fan.24klick.de/html/squeeze_play.html) – Anm. d. Üb.

[3] “US Troops round up suspected insurgents in random arrests during offensive”, Tom Lasseter , Knight Ridder newspapers, 23.5.2005

4]“Retaliatory killings, mainly involving Shias and Sunnis, threaten to throw country into deadly civil war”,Mohamad Bazzi, Newsday, 23.5.2005.

5]“The Salvador Option”, Scott Ritter, Znet, 25.1.2005.

6]“This is our Guernica”, Jonathan Steele und Dahr Jamail, The Guardian, 27.4.2005.

7]“Turning Point Fallujah: How US Atrocities Sparked The Iraqi Resistance”, Electronic Iraq, 4.5.2005.

8]“Ending Secret Detention”, Human Rights First, June 2004.
http://www.humanrightsfirst.org/us_law/PDF/EndingSecretDetentions_web.pdf

9]“One Huge US Jail”, The Guardian, 19.3.2005.
http://www.guardian.co.uk/afghanistan/story/0,1284,1440836,00.html

10] http://web.amnesty.org/library/Index/ENGAMR510632005 (nur englisch). Siehe auch den Jahresbericht 2005: http://www2.amnesty.de/internet/deall.nsf/c1070c04ee5add56c
12567df002695be/eec5b871f8728644c12570260044d470?OpenDocument

– d.Üb.

11]“America’s shame, two years on from ’Mission Accomplished’”, Robert Fisk, Independent, 8.5.2005. http://www.robert-fisk.com/articles494.htm

12] Anspielung auf das „Mission acomplished“ [Auftrag ausgeführt] von G.W. Bush – d.Üb.

13]“Torture’s Dirty Little Secret”, The Nation, 12.5.2005