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Der Kampf bei Opel wirft grundsätzliche
politische Fragen auf

von Lothar Moser 22. Oktober 2004


Die Ankündigung der Konzernleitung von General Motors, 12.000 der insgesamt 63.000 Arbeitsplätze in Europa abzubauen, 10.000 davon alleine in Deutschland, hat einen Schock ausgelöst. Nach den drastischen Massnahmen bei Siemens, DaimlerChrysler, Volkswagen und Karstadt erreicht damit der Generalangriff der Bosse und Regierenden auf Arbeitsplätze, Löhne und Sozialstandards eine neue Dimension in Deutschland.
Die OpelarbeiterInnen in Bochum traten unmittelbar nach Bekanntgabe der Unternehmenspläne am vergangenen Donnerstag in den Ausstand und blockierten die Werkstore. Trotz der Drohung mit Aussperrung und der wiederholten Aufforderung von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), die Arbeit wieder aufzunehmen, setzte die Belegschaft ihren Streik übers Wochenende bis heute Dienstag (19.10.04) fort und ein Ende ist nicht in Sicht.

Es geht um weit mehr als eine betriebliche Auseinandersetzung über die Verteidigung aller Produktionsstandorte. Die Aggressivität und Rücksichtslosigkeit, mit der die Konzernleitung von General Motors vorgeht, ist Teil einer konzertierten Aktion der Konzerne, der Banken und der Regierungen, um alle Rechte der Lohnabhängigen zu zerschlagen.

Ziel dieses Generalangriffs ist es, ein Gesellschaftsprinzip durchzusetzen, in dem nur eine Maxime gilt: die uneingeschränkte Herrschaft des kapitalistischen Marktes und der Profitinteressen der Konzerne und Banken.
Die Ankündigung der Stadtverwaltung in der schwedischen Stadt Trollhättan, die Kindergärten auch über Nacht zu öffnen, damit die Eltern in der Lage seien, im Drei-Schichtsystem rund um die Uhr im GM-Werk zu arbeiten, macht deutlich, wohin die Entwicklung geht. Jeder Aspekt des gesellschaftlichen Lebens soll den Profitinteressen untergeordnet werden, ohne Rücksicht auf die humanen Folgen.

Der GM-Vorstand hat den Fehdehandschuh in den Ring geworfen. Er ist entschlossen, eine Gesellschaft zu schaffen, in der es keinerlei soziale Absicherung und demokratischen Rechte mehr gibt. Darüber kann es keinen Kompromiss geben. Die Lohnabhängigen müssen dem ihr eigenes Gesellschaftskonzept entgegen stellen, das nicht auf Egoismus, Profit und Sozialabbau, sondern auf Solidarität und sozialem Fortschritt basiert. Sie muss für eine politische Perspektive eintreten, die die Bedürfnisse der Bevölkerung höher stellt als die Profitinteressen der Wirtschaft.

Der GM-Vorstand verfolgt eine internationale Strategie

Hinter der Entscheidung der GM-Konzernsspitze steht eine ständige Verschärfung der internationale Konkurrenz, die in der Automobilindustrie extreme Formen angenommen hat. Seit einiger Zeit findet eine systematische Verlagerung von Teilen der Produktion nach Osteuropa, besonders nach Polen, statt, um niedrige Löhne bei gleichzeitig optimalen Transportwegen und vergleichsweise gut ausgebildeten Arbeitern auszunutzen.
Anfang des Jahres veröffentlichte das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln ein Papier unter der Überschrift "Die Osterweiterung der Europäischen Union aus Sicht der Adam Opel AG". Darin heißt es, die EU-Osterweiterung am 1. Mai sei für die Autoindustrie im Allgemeinen und für Opel im Besonderen ein außerordentlich erfreuliches Ereignis gewesen.

Unmittelbar nach dem Fall der Berliner Mauer vor 15 Jahren habe sich Opel "in Richtung Osten" orientiert. Im Herbst 1992 wurde ein "neues, hochmodernes und effizientes Werk" in Eisenach/Thüringen errichtet. Schon damals wurden die niedrigen Löhne und die hohe Arbeitsproduktivität ausgenutzt, um die Beschäftigten in den westeuropäischen Ländern unter Druck zu setzen.
"Unser wichtigster Schritt in die Region Mittel- und Osteuropa war 1996 die Entscheidung zum Bau eines neuen Werks in Polen (Gleiwitz/Schlesien)", heißt es in dem Text weiter. In Hinblick auf Produktionsmethoden und Effizienz sei Gleiwitz "nahezu eine Kopie des Werks in Eisenach" gewesen, nur die Produktionskosten seien noch weitaus günstiger. "Die Zahlen sprechen für sich: In Deutschland kostet eine Arbeitsstunde durchschnittlich 31 Euro (Brutto-Arbeitskosten), in Frankreich rund 21 Euro und etwa 80 Kilometer östlich der deutschen Hauptstadt, direkt hinter der Grenze - in Polen - nur 5 Euro."
Aber auch die Ausbeutung in Gleiwitz ist noch nicht die untere Grenze. Längst arbeiten alle Autokonzerne daran, sich möglichst gut für den stark wachsenden chinesischen und asiatischen Markt zu positionieren. Dann sind selbst die Sklavenlöhne von Gleiwitz nicht mehr konkurrenzfähig. Und überall hinterlassen die Konzerne eine Industriewüste aus Massenarbeitslosigkeit, zerstörter Infrastruktur und sozialem Niedergang.


Die Rolle von Sozialdemokratie und Gewerkschaften


Den wichtigsten Hebel zur Erpressung der Arbeiter erhielten die Unternehmer aus den Händen der SPD-geführten, rot-grünen Bundesregierung. Die Hartz-Gesetze, vor allem Hartz IV, haben jede Form sozialer Absicherung zerstört und damit Bedingungen geschaffen, unter denen ein/e ArbeiterIn, der/die heute noch einen einigermaßen vernünftigen Lohn bekommt, nach einem Jahr Arbeitslosigkeit in die Armut abstürzt. Erst wenn alles Angesparte aufgebraucht ist und die Betroffene nachweislich "bedürftig" sind, bekommen sie ein staatliches Almosen namens "Arbeitslosengeld II".

Die Konzerne - nicht nur die Führung von GM - setzen darauf, dass sie die Angst vor diesem drohenden sozialen Niedergang nutzen können, um die Beschäftigten zur Hinnahme von Lohnkürzungen und Sozialabbau in bisher ungekanntem Ausmaß zu zwingen. Ein großes Transparent am Opeltor in Bochum mit der Aufschrift "Streiken wir oder Hartz-Vier" machte am Sonntag auf diesen Zusammenhang aufmerksam.
Die Gewerkschaften haben eine Schlüsselrolle dabei gespielt, die Anti-Hartz-Proteste abzublocken und die Arbeitsmarktreformen durchzusetzen. Viele ihrer Funktionäre sitzen gleichzeitig in den Leitungsgremien der SPD und sind unmittelbar für den seit Jahren stattfindenden sozialen Niedergang verantwortlich. Immer und immer wieder haben sie erklärt, durch Kompromisse und Zugeständnisse könnte das Schlimmste verhindert werden. Heute stehen sie vor den Trümmern ihrer Politik. Das ständige Zurückweichen hat das Schlimmste nicht verhindert - sondern geschaffen.

Notwendig ist eine internationale sozialistische Perspektive!

Die Opelarbeiter sollten den Vorteil, dass sie mit Arbeitern in den USA in einem Unternehmen zusammenarbeiten, nutzen, um aus den bitteren Erfahrungen der amerikanischen Kollegen einige Lehren zu ziehen. An Kampfbereitschaft, Militanz und Mut hat es den amerikanischen Autoarbeitern nie gefehlt. Sie wehrten sich nicht nur durch Protestaktionen und Warnstreiks, sondern legten teilweise wochenlang an mehreren Standorten die Produktion still.
Im Sommer 1998 streikten die GM-Arbeiter in Flint acht Wochen lang. Als die Geschäftsleitung Streikbrecher anheuerte, kam es zu Schlachten mit Sicherheitskräften und Polizei. Nicht wenige Arbeiter wurden vor Gericht gestellt und zu hohen Strafen verurteilt. Trotzdem ließen sie sich nicht einschüchtern. Aber weil die Gewerkschaften mit der Demokratischen Partei von Präsident Clinton zusammenarbeiteten und einen Kompromiss mit dem Konzern anstrebten, wurden selbst die militantesten Kämpfe nach einiger Zeit niedergeschlagen.
Für die Arbeiter in Detroit und Umgebung hatte das verheerende Auswirkungen. Viele Werke sind heute geschlossen und stehen als Industrieruinen in der Stadt. Dort wo noch gearbeitet wird, betragen die Löhne nur noch einen Bruchteil von dem, was in den siebziger und achtziger Jahren gezahlt wurde. Urlaub, Pausen und Arbeitssicherheit wurden radikal abgebaut. Viele Arbeiter mussten ihr Haus verkaufen, sind restlos verschuldet und versuchen, sich durch Gelegenheitsjobs über Wasser zu halten.
Jetzt versucht die GM-Konzernleitung amerikanische Verhältnisse in Europa durchzusetzen. Wer wissen will, wohin das führt und was es bedeutet, sich den Marktgesetzen unterzuordnen, sollte die Berichte und Bilder über die herunter gekommen und verwahrlosten Arbeiterviertel von Detroit und andern amerikanischen Großstädten betrachten.
Selten zuvor in der Geschichte war der Gegensatz zwischen den großen gesellschaftlichen Möglichkeiten, die die Entwicklung von Technik und gesteigerter Arbeitsproduktivität bieten, und der zerstörerischen Art und Weise, wie sie eingesetzt werden, so groß wie heute. Anstatt die Möglichkeiten der modernen Technik - die gerade in der Autoindustrie sichtbar sind - für eine sinnvolle Entwicklung der Gesellschaft im Interesse und zum Nutzen Aller einzusetzen, nutzt die herrschende Elite ihr Privateigentum an den Produktionsmitteln, um sich hemmungslos zu bereichern und den Rest der Gesellschaft zu terrorisieren.