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Hunger und Revolte

Von B. B. - www.rsb4.de - 01.06.2008


In drei Dutzend Staaten, die meisten in Afrika, sind die Menschen vom Hunger bedroht. Doch immer mehr lehnen sie sich gegen ihn auf. Die Revolten springen von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent.

In Afrika erfassten sie Senegal, Gabun, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Kamerun, Mauretanien, Mosambik und Südafrika, fanden aber auch in Marokko und Ägypten ein Echo. Die Kette der Empörungen zog sich über den Jemen, über Indien und Bangladesch nach Indonesien und Thailand. Ein weiterer Schwerpunkt der Rebellionen war Mittelamerika mit Mexiko, Honduras und die Karibik mit Haiti. In Südamerika ist es Peru, wo die Armen rebellieren. In Argentinien gingen allerdings nicht die Ärmsten der Armen auf die Straßen, sondern die mittleren und reichen Bauern, die die Proteste gegen sinkende Agrarprofite organisierten.

„Lösungen“ der Herrschenden

Für den Fall, dass die Preise für Nahrungsmittel weiterhin drastisch steigen, befürchten Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF) weitere Empörungen in Nigeria, Burkina Faso, Elfenbeinküste, aber auch in Haiti, Armenien und Tadschikistan, sowie in Indonesien. Die Lage könnte in einigen Staaten außer Kontrolle geraten. Auch in den jeweiligen Ländern haben die Herrschenden Angst vor einer „sozialen Radikalisierung“.

Zur Soforthilfe, aber auch um den Protesten das Wasser abzugraben, werden von den Großmächten Nahrungsmittel geliefert. Während die Institutionen des Imperialismus als Helfer in der Misere auftreten, die sie mit ihren neoliberalen Diktaten heraufbeschworen haben (vgl. Avanti 154), reagierten die bürgerlichen Regierungen in den jeweiligen Ländern mit staatlicher Repression. Fast überall wurden Polizei und Militär gegen die Hungernden eingesetzt. Es gab mehrere Hundert Tote, Tausende Verletzte und Verhaftete. Andererseits gaben die Regierungen den Protesten nach, wenn diese zu stark wurden.

Denn nur mit Unterdrückungsmaßnahmen konnten die von den Großmächten abhängigen Regierungen nicht antworten. In Burkina Faso kündigte die Regierung Maßnahmen zur Preiskontrolle an, die indische und die indonesische Regierung verboten den Reisexport, in Marokko wurde die Preiserhöhung für Brot rückgängig gemacht. In Mexiko verkündete die Regierung einen Höchstpreis für Maismehl.

Nachfrage, Spekulation, Biosprit

Ob Weizen, Reis oder Mais – die stark ansteigenden Preise auf dem von den internationalen Lebensmittelkonzernen und auch von der Spekulation bestimmten Weltagrarmarkt lösten die Hungerrevolten aus.

2005 begann der rasante Preisanstieg für Lebensmittel, der bis heute anhält. Um die Jahreswende 2007/2008 verdoppelte sich innerhalb nur weniger Monate fast der Preis für Mais, Weizen und Reis. Als Ursachen werden häufig genannt: Mehr Fleischkonsum in China und Indien (warum sollte Fleisch nur den Menschen in den imperialistischen Ländern vorbehalten sein?); die Spekulation an den Warenbörsen, die subventionierte Biospritproduktion un der Klimawandel.

Spezialisierte sich früher die Produktion der abhängigen Länder für den Export mehr und mehr auf Rohstoffe und höherwertige Nahrungsmittel (z. B. Kaffee, Kakao, Bananen), nicht etwa auf die Förderung der eigenen Subsistenzwirtschaft, so wird heute vermehrt auf Mais, Soja, Zuckerrohr, Yukka und Palmöl gesetzt, um sie in den hochindustrialisierten Ländern zu Biosprit zu verarbeiten. Dabei benötigt die Herstellung von 100 Liter Biosprit soviel Getreide wie ein Mensch ein Jahr lang essen kann.
Als weitere Ursache kommt die ungerechte Landverteilung zwischen Großgrundbesitzern, Kleinbauern und LandarbeiterInnen hinzu. Es ist in den einzelnen Ländern eine Agrarrevolution nötig, die die im kapitalistischen System eingebetteten spezifischen Agrarverhältnisse grundlegend in Frage stellt. Dies erfordert die Führung der Bauernschaft durch die ArbeiterInnenklasse.

Imperialistisches Agrarsystem

Eine der wichtigsten Ursachen für die Hungerrevolten liegt in der Struktur der Weltagrarproduktion. Diese wird in den imperialistischen Blöcken USA und EU hochsubventioniert. Die US-Regierung hat Ende 2007 ein Gesetz unterzeichnet, das die eigene Landwirtschaft mit 286 Mrd. US-Dollar unterstützt. Die EU zahlt der Agrarwirtschaft Jahr für Jahr 43 Milliarden Euro (s. Kasten). Gleichzeitig haben der Internationale Währungsfonds und die Weltbank dafür gesorgt, dass die Importzölle der abhängig gehaltenen Länder gesenkt werden, damit diese dann von den Großmächten mit billigen Agrarprodukten überflutet und in Grund und Boden konkurriert werden können.

Haiti übernahm auf Druck des IWF in den 80er Jahren die Handels- und Wirtschaftspolitik des Neoliberalismus. Mit dem neuen Handelsrecht wurden ab 1986 die Importsteuern auf Nahrungsmittel gesenkt. Die Importzölle für Reis sanken 1995 gegen Null. Durch die billigen US-Importe kam der Reisanbau auf Haiti völlig zum Erliegen.

In Indonesien sorgte der IWF für die Senkung der Einfuhrzölle z. B. für Sojabohnen, Reis und Mais. Er öffnete damit den Agrarimporten Tür und Tor. Als Folge hat sich die indonesische Soja-Produktion innerhalb von nur 5 Jahren halbiert.

Viele der einstigen oder noch Exporteure von Nahrungsmitteln müssen diese heute importieren: Mexiko kauft aus den USA pro Jahr Nahrungsmittel im Wert von 10 Mrd. US $. Das Land der Tortillas, die aus Maismehl gemacht werden, importiert billigen Mais aus den USA, obwohl es selbst welchen auf dem Weltmarkt verkauft. Das einstige Getrei­deexportland Ägypten importiert heute 50% des Weizens, die Elfenbeinküste 50% vom Reis. Selbst der Weizenexporteur Indien führt mittlerweile Weizen ein. Indonesien ist zwar einer der größten Reis-Produzent der Welt, muss aber ebenfalls Reis importieren. Ob Burkina Faso oder Mosambik, das fast allen Weizen einführt, überall müssen Lebensmittel importiert werden, in Mauretanien bis zu 70 %. Kein Wunder, dass in Peru die Bauernschaft gegen ein Freihandelsabkommen für landwirtschaftliche Produkte mit den USA demonstrierte. Die Abhängigkeit wird durch gentechnisch manipuliertes Getreide drastisch verstärkt, das dafür sorgen soll, dass die arme Bauernschaft über kein eigenes Saatgut verfügt.

Die Akteure und ihre Parolen

Auch wenn 80% der Hungernden auf dem Lande leben, die meisten Proteste fanden in den Städten statt. Entsprechend stützen sie sich überwiegend auf die städtische Armut (z. B. Senegal, Elfenbeinküste, Haiti, Kamerun) und auf Organisationen der ArbeiterInnenklasse wie Gewerkschaften (z. B. Senegal, Burkina Faso, Togo, Ägypten, Bangladesch, Südafrika), aber auch auf manche politische Bündnisse (z. B. Senegal, Gabun, Haiti). Die arme Bauernschaft spielte in Mexiko und Peru eine Rolle; viele aus der städtischen Armut sind vom Land entwurzelt oder vertrieben worden, verfügen aber weiterhin über Beziehungen dorthin.

Die Proteste begannen mit Parolen, die sich auf die dringendsten Bedürfnisse konzentrierten wie „Gegen das teure Leben“, „Wir haben Hunger, es reicht!“, „Wir haben Hunger!“, „Eure Preise bringen uns um!“, um sich dann häufig auf die jeweilige Regierung und ihre neoliberale Politik zu beziehen: „Der Reis ist teuer, geh‘!“. In Haiti drangen die Protestierenden bis zum Präsidentenpalast vor, worauf der Premierminister entlassen wurde. Aber Informationen über revolutionären Einfluss auf die Hungerrevolten fehlen. Er scheint (mit der eventuellen Ausnahme von Mexiko) nicht vorhanden gewesen zu sein. So mussten sie vorerst verpuffen.

Perspektive

Der neoliberale Kapitalismus wird zunehmend in Frage gestellt – von oben durch die Finanzkrise und von unten durch die Hungerrevolten. Beide kündigen von entgegengesetzten Polen die schweren Erschütterungen an, die dem kapitalistischen System noch bevorstehen. Es bleibt den Revolutionär­Innen nicht unbegrenzt Zeit, sich bis dahin genügend politisch und organisatorisch vorzubereiten.