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Die Kostenexplosion im
Gesundheitswesen: für wen?


Das sozial ungerechteste Finanzierungssystem in ganz Europa

Flyer der BFS vom Februar 2007

Tag für Tag stimmen die Kantons- und Bundesbehörden, die Krankenkassen und ein Teil der Ärzte dasselbe Klagelied an: „Die Gesundheitskosten explodieren, das können wir uns nicht mehr leisten.“
Was steckt hinter diesem Geschwätz? Die Graphik 1 stellt die Aufteilung der „Kosten des Gesundheitswesens“ auf die Anbieter von Leistungen und Gütern dar.

Die insgesamt 51,6 Milliarden Franken im Jahr 2004 verteilten sich folgendermassen:

Spitäler: 18,2 Milliarden

Soziale Einrichtungen und Pflegeheime (für betagte Personen, Behinderte, Drogenabhängige, usw.): 9,3 Milliarden

ambulante Behandlungen: 15,5 Milliarden, davon 8,8 für die Ärzte

Detailhandel: 4,9 Milliarden, davon 3,5 für die Apotheken

Ausgaben des Staates (Verwaltung, Prä-vention) und der Krankenkassen (Verwaltung, Amortisation): 3,2 Milliarden.

Unablässig wird wiederholt, dass diese Kosten 11,5% des Bruttoinlandprodukts (BIP) im Jahr 2004 entsprechen.
Das ist die magische Prozentzahl des BIP, welche die Schweiz weltweit auf dem zweiten Rang hinter den USA platziert. Alle unsozialen Massnahmen im Namen des „Erhalts der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz“ werden dadurch gerechtfertigt die bevorstehenden Massnahmen im Gesundheitsbereich).

Trügerische Vergleiche

Der Vergleich der Gesundheitskosten geht von unterschiedlichen Situationen aus und täuscht deshalb in mehrfacher Hinsicht. Ein Beispiel: In der Schweiz werden die langfristigen Ausgaben für betagte Menschen und chronische Krankheiten zu den Gesundheitskosten gezählt. In den nordischen Ländern ist das nicht der Fall. Die Gesundheitsausgaben liegen in Dänemark bei 8,9%, in Schweden bei 9,1% und in Norwegen bei 9,7% des BIP.

Im Jahr 2004 (Bezugsjahr für alle hier genannten Zahlen) lagen aber diese langfristigen Pflegekosten in der Schweiz bei 6,4 Milliarden, was etwa 1,4% des BIP entspricht.

Wird nur schon diese Zahl berücksichtigt, schrumpft der Unterschied bei den Gsundheitsausgaben zwischen der Schweiz und Schweden oder Norwegen beträchtlich zusammen. Die (sehr oft trügerischen) internationalen Vergleiche beeindrucken und lähmen das kritische Denken. Die herrschenden Klassen aller Länder nutzen dies systematisch aus.

Vergessen und täuschen

Die Ausgaben für die Wohnungsmieten sind in der Schweiz deutlich höher als im europäischen Durchschnitt. Den Banken, Versicherungen, Immobilienfirmen, Hauseigentümern und übrigen Parasiten der Bodenrente kommt es dennoch nicht in den Sinn, eine tagtägliche Kampagne gegen die Kostenexplosion der Mieten für die Mehrheit der Bevölkerung zu führen. Sie verlangen nicht, dass die Mieten gesenkt werden. Tatsächlich liegt beinahe die ganze Last der Mieten auf den Schultern der Mieter und Familien. Dieses Ziel streben die bürgerlichen Parteien, die Versicherungen und die Unternehmen auch im Ge sundheitsbereich an.

Die Gegner der sozialen Einheitskasse aus dem politischen und wirtschaftlichen Lager tragen ohne Ende ihre Weisheiten zur Kostenexplosion vor. Warum? Weil sie Änderungen einführen wollen, die einerseits einen grösseren Anteil der Gesundheitskosten auf die Haushalte abwälzen und anderseits die Leistungen für zahlungskräftige Kunden ausbauen und rentabler gestalten. Auch wenn dies dazu führt, dass ein Teil der Bevölkerung den Gürtel noch enger schnallen muss. Die Krankenkassen und ihre Verbündeten (Privatkliniken, usw.) wollen aus den verfügbaren Mitteln der Bevölkerung noch mehr Profit schöpfen, so wie es die Hauseigentümer auch tun.

Wer trägt die Kosten?

Wenn die Kosten unerträglich sind, dann sind sie es für die Haushalte, das heisst für die meisten lohnabhängigen Familien. Denn in kaum einem anderen Land finanzieren die Lohnabhängigen einen so grossen Anteil der Gesundheitskosten wie in der Schweiz: 67% (siehe Graphik 2). Dafür gibt es vier Gründe:


1. Ganze Bereiche werden durch die obligatorische Krankenversicherung nicht gedeckt: zum Beispiel die Zahnarztkosten. Das führt zu einer Situation, in der man sich den Zahnarzt nur leistet, wenn alles Wichtige bereits bezahlt ist.

Die Aufenthalte in sozialen und Pflegeheimen sind schlecht versichert. Zahlreiche Medikamente werden nicht bezahlt, und deren Preis liegt erst noch weit über dem europäischen Durchschnitt.

Im Jahr 2004 erreichten die direkt durch die Haushalte bezahlten Gesundheitsausgaben, die von den Krankenkassen nicht beglichen werden, 13,6 Milliarden Franken. Hier spricht aber niemand von Kostenexplosion.

2. Hinzu kommen die Franchisen und Kostenbeteiligungen, wie sie im KVG vorgesehen sind: 2,8 Milliarden Franken im Jahr 2004, Tendenz steigend.

3. Das Kopfprämiensystem (individuelle Prämie für Erwachsene und Kinder, unabhängig vom Einkommen) führt dazu, dass die Haushalte unter der Last der Krankenversicherung leiden: 18,9 Milliarden Franken im Jahr 2004, davon 14,4 für die Grundversicherung.

In den anderen europäischen Ländern wird die Krankenversicherung meistens durch einkommensabhängige Lohnabzüge (zur Hälfte durch die Unternehmen) finanziert, und/oder durch Steuern.

Auch in dieser Hinsicht spricht das helvetische Establishment nicht von einer unerträglichen Belastung. Das stimmt natürlich auch - für die Eliten selbst.

Ausserdem wird alles Mögliche getan, um jedes Gefühl von Gleichheit zu unterdrükken. Dieses Gefühl könnte auf zwei Formeln gebracht werden. Erstens: „Es ist normal, bei einer obligatorischen Versicherung einen Beitrag zu bezahlen, der vom Einkommen oder von den verfügbaren Mitteln des Haushalts abhängig ist.“ Zweitens: „Ich verdiene vielleicht weniger als mein Chef oder als ein Regierungsrat, aber ich möchte nicht medizinisch schlechter versorgt werden als diese Personen.“

Die ganze Kampagne der Individualisierung der Prämien, deren Vervielfachung (70'000 verschiedene Prämien in der Schweiz!) und der Mythos des Patienten als einem Kunden, dem es gelingt, die beste Prämie und Franchise herauszufinden, indem er ohne Ende die Angebote der Krankenkassen vergleicht, dienen der Zerstörung jeder solidarischen Haltung und des Widerstands gegen die Kommerzialisierung des Gesundheitsbereichs.

4. Seit den 1970er Jahren wurde der Anteil der Steuern an der Finanzierung der Gesundheitsausgaben deutlich gesenkt: von 39,5% im Jahr 1972 auf 27,3% im Jahr 2004. Sogar das Bundesamt für Statistik muss anerkennen, dass der Staatsanteil am Ende der 1990er Jahre bei einem historischen Minimum liegt. Ausserdem ist zu bedenken, dass die direkten Steuern bei den höchsten Einkommen nicht mehr progressiv sind und Vermögen kaum erfassen.

All dies führt zu folgender Schlussfolgerung: Wenn die grossen Vermögen, die sehr hohen Einkommen, das Kapital und die Unternehmer nichts oder nur sehr wenig zur Finanzierung der Gesundheitsaus gaben beitragen, erdrücken diesen das Budget der lohnabhängigen Familien. Der Anstieg der Krankenkassenprämien wird jedoch beim Index der Konsumentenpreise nicht berücksichtigt, derjeweils dem Teuerungsausgleich der Löhne zu Grunde liegt. Nur schon die Erhöhung der Krankenkassenprämien führt deshalb dazu, dass das verfügbare Einkommen (was nach den obligatorischen Ausgaben übrig bleibt) Jahr für Jahr sinkt: - 0.5% im Jahr 2002, - 0,5% im Jahr 2003, - 0,4% im Jahr 2004, - 0,2% im Jahr 2005, - 0,3% im Jahr 2006 (Bundesamt für Statistik).


Die Ablehnungsfront gegen die soziale Einheitskasse beruht wesentlich auf der Tatsache, dass sie dieses System ein bisschen in Frage stellt, das allen grundlegenden Gedanken sozialer Gerechtigkeit widerspricht. Denn die Initiative öffnet den Weg zu Prämien, die von den finanziellen Mitteln der Haushalte abhängig sind. Diesen Grundsatz lehnen diejenigen ab, welche die Schweiz wirklich regieren.

Die Reichen sind bei guter Gesundheit
Die Diskussion über eine soziale Einheitskasse konzentriert sich auf das folgende Thema, um die wichtigsten Fragen zu vermeiden: „Wird der Mittelstand mehr Prämien bezahlen?“ Lassen wir die Frage, was überhaupt der „Mittelstand“ ist. Eine Führungskraft (oder jemand, der sich als eine solche betrachtete) einer Bank oder einer Versicherung, die im Alter von 55 Jahren entlassen wurde, könnte uns darüber etwas Interessanteres erzählen als zahlreiche Soziologen; von den Journalisten gar nicht zu sprechen.
Lassen wir also den „Mittelstand“ und kommen wir zur real existierenden herrschenden Klasse. Sie verfügt über grosses Kapital, investiert an den Finanzmärkten und beteiligt sich an Holdinggesellschaften, durch die sie ganze Netzwerke von Unternehmen in Industrie- und Dienstleistungsbereichen kontrolliert. Vor einigen Jahrzehnten hielten sich die Mitglieder dieser Klasse diskret im Hintergrund. Heute treten sie in Davos oder an den exklusiven Cocktailparties in Zürich, Basel oder Genf öffentlich in Erscheinung.
Ein Abbild dieser sozialen, wirtschaftlichen und politischen Macht der herrschenden Klasse lieferte die vergoldete Ausgabe der Monatszeitschrift Bilanz im Dezember 2006. Die 300 reichsten in der Schweiz wohnhaften Personen verfügten 2006 insgesamt über ein Vermögen von 450 Milliarden Franken. Von 2005 auf 2006 ist dieses Vermögen um 55 Milliarden gewachsen, das heisst so viel die die gesamten Gesundheitskosten. Von diesen 300 teilen sich 118 Milliardäre den grössten Teil des Kuchens auf. Es wäre besser, darüber zu diskutieren, anstatt die Zeitungen mit Spekulationen über die zukünftigen Prämien des Mittelsstands zu füllen, während ein richtiges Prämienmodell für die Einheitskasse gar nicht vorliegt.
Die eidgenössische Steuerverwaltung hat eben erst ihre Statistiken für 2003 veröffentlicht. Der Ergebnis ist unglaublich: 68,35% der Steuerpflichtigen (mit weniger als 100'000 Franken Vermögen) besass 5,57% des gesamten Vermögens. Im Gegensatz dazu verfügten 0,14% der Steuer¬pflichtigen mit einem (angegebenen!) Vermögen von über 10 Millionen über 19,73% des gesamten Vermögens. Und 3,73% der Steuerpflichtigen mit einem Vermögen von über 1 Million besassen 54,11% des gesamten (angegebenen!) Vermögen in der Schweiz. Diese Statistik berücksichtigt allerdings nicht einmal den tatsächlichen Wert von Immobilien (die Immobilienpreise sind in den letzten Jahren stark gestiegen).