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Gratisarbeit: Das Beispiel Lonza macht Schule

Industrieunternehmen wälzen Währungsrisiken
auf ArbeiterInnen ab

von Lothar Moser - 29. Juli 2011


Rund ein Dutzend Industriebetriebe sind dem Beispiel von Lonza gefolgt und haben die Wochenarbeitszeit für ihre Beschäftigten zwangsweise erhöht - ohne Lohnausgleich. Verbandsvertreter der Schweizer Industrie fordern zusätzlich Lohnsenkungen gegen die Frankenstärke und zur Sicherung der Unternehmerprofite. Die Gewerkschaften geben sich machtlos.

Der Basler Konzern Lonza hatte Ende Juni angekündigt, auf den 1. Juli befristet auf 18 Monate die Arbeitszeit für alle Mitarbeiter am Standort Visp von durchschnittlich 41 auf 43 Stunden zu erhöhen. Der Gewinn am Standort Visp stehe stark unter Druck. Die sinkende Profitabilität des Lonza Werks Visp sei primär auf die massive Stärke des Schweizer Frankens, auf eine aggressive Preispolitik von Konkurrenten und steigende Rohstoff- und Energiepreise zurückzuführen, hiess es in einem von Lonza verbreiteten Communiqué. Und weiter: „Mit der befristeten Erhöhung der Soll-Arbeitszeit auf 43 Stunden für alle Mitarbeiter des Werks in Visp könnten kurzfristig die negativen Rahmenbedingungen teilweise kompensiert werden, schreibt Lonza. Die hohe Auslastungder Anlagen könne damit ohne zusätzliches Personal bewältigt werden, womit ein weiterer Kostenanstieg verhindert werde.“

Im April dieses Jahres hatte Lonza-Chef Borgas seine Erwartung kundgetan, den Betriebsgewinn bis ins Jahr 2013 um 110 bis 180 Mio. Fr. zu steigern.

Am 5. Juli hiess es dann in einer Medienmitteilung der Unia: Die Gewerkschaften Unia und Syna haben mit der Geschäftsleitung der Lonza den Konflikt um die einseitige Verlängerung der Arbeitszeit und die Kündigung des Kollektivvertrages (KAV) mit einer Vereinbarung beigelegt.

Konkret sieht diese Einigung so aus, dass „Lonza sich verpflichtet“ die „beschlossene Arbeitszeiterhöhung von zwei auf eineinhalb Stunden zu reduzieren." Zudem tritt die Arbeitszeiterhöhung nicht wie von Lonza angeordnet am 1. Juli, sondern erst am 1. September in Kraft. Corrado Pardini: „Wir konnten den einseitigen Beschluss der Lonza zurückweisen und ihn zugunsten der Beschäftigten verbessern.“

Am 10. Juli droht der neue Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt wegen der Frankenstärke mit einer Nullrunde bei den kommenden Lohnverhandlungen und rät unter der Frankenstärke „leidenden“ Unternehmen mit Verlängerung der Arbeitszeit bei gleichem Lohn oder Lohnkürzungen: „Gerät eine Firma durch die Währungssituation in Not, scheint mir sinnvoller, für eine gewisse Zeit entweder die Arbeitszeit bei gleichem Lohn zu verlängern oder die Löhne zu kürzen.“ (20 minuten vom 10. Juli 2011).

Ab September werden die 280 Angestellten des Küchenherstellers Franke in Aarburg wöchentlich 2,5 Stunden länger arbeiten müssen als heute – gratis - diese von den Sozialpartnern ausgehandelte Vereinbarung soll das Wechselkursproblem entschärfen und Franke ihre Gewinne sichern. Obwohl Meharbeit das falsche Rezept gegen die Frankenstärke sei – „die Arbeitgeber versuchten, einen Waldbrand mit der Giesskanne zu löschen“ so Corrado Pardini, Sektorleiter Industrie der Gewerkschaft Unia, hat die Unia der Gratis-Mehrarbeit bei Franke zugestimmt.

Angestellte Schweiz, die grösste Arbeitnehmerorganisation der MEM-Industrie (Maschinen, Elektronik, Metall), sperrt sich nicht grundsätzlich gegen Arbeitszeitverlängerungen. Schliesslich ist die Massnahme durch den "Krisenartikel" im GAV der MEM-Branche gewissermassen offizialisiert. Gemäss GAV hat die Arbeitnehmervertretung das Recht, die Verlängerung der Arbeitszeit abzulehnen. Kommt es deshalb zu Entlassungen, sind den Betriebskommissionen weitgehend die Hände gebunden.

Einen Schritt weiter geht der Thurgauer Verpackungskonzern Model AG mit Hauptsitz in Weinfelden. Bei Model wird rund 900 beschäftigten ab September die Wochenarbeitszeit um 2 Stunden bei gleichem Lohn von 40 auf 42 Stunden erhöht. Gleichzeitig wird den Beschäftigten ab nächstem Jahr eine Woche Ferien gestrichen (nur noch 4 statt 5 Wochen).

Die Model Holding AG ist zu 100% im Besitz der Familie Model, beschäftigt insgesamt etwa 3000 Leute und hat 2010 einen konsolidiertern Verkaufserlös von 640 Mio. Franken erreicht.

Verwaltungsratspräsident Dr. Daniel Model in der SF – Tagesschau vom 20. Juli: „Jeder Mitarbeiter hat die Freiheit sich damit nicht einverstanden zu erklären und das ist wunderbar so“ und weiter: „aber dann muss er gehen, man kann nicht den Fünfer und das Weggli haben.“

Erich Kramer von der Unia Thurgau: „uns sind die Hände gebunden, weil wir haben keinen Gesamt-arbeitsvertrag mit der Model AG.“ Und weiter: „wenn wir einen GAV hätten könnten wir mir der Model AG verhandeln und einen gewissen Druck aufsetzen.“

Was Kramer verschweigt, ist das die GAV’s Bestimmungen enthalten, die genau solche Mehrarbeit
möglich machen, wie beim Werkzeughersteller Oertli aus Höri ZH dessen 200 Beschäftigte ebenfalls zwei Stunden pro Woche länger arbeiten müssen. Das dafür notwenige Prozedere ist in GAV dem Oertle untersteht genau festgelegt; eine Übereinstimmung mit der Betriebskommission.

Sollte die Frankenstärke bis zum nächsten Sommer anhalten will VR-Präsident Daniel Model zu noch drastischeren Mitteln greifen und rund die Hälfte der Arbeitsplätze in der Schweiz abbauen.

Für Hans-Ulrich Bigler, den Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV), „dürfen Lohnanpassungen kein Tabu sein. Nur so liessen sich Arbeitsplätze erhalten, wenn Schweizer Unternehmen wegen weggebrochener Margen Verluste schrieben.“ Diese zusätzlichen Arbeitsstunden wie in Krisenzeiten die Kurzarbeit über die Arbeitslosen-versicherungen (ALV) abzugelten, hält Bigler dagegen für keine gute Idee. „So häuft man nur neue Schulden bei der ALV an“, sagte er. An der Arbeitszeitverlängerung brauchen sich die Unternehmer ja auch nichr paritätisch zu beteiligen. Aussagekräftig ist auch der Ausspruch von Hansjörg Schmid, Kommunikationschef bei Angestellte Schweiz in der NZZ von heute und sagt wohl viel über die Motive der Unternehmer aus: „Arbeit gebe es meist mehr als genug, sagt Schmid, umso mehr, als viele Firmen den Personalbestand nach der Krise von 2009 nicht wieder erhöht hätten.“

Die weltweiten Devisen-Spekulanten gehen derweil von einer weiteren Stärkung des Frankens aus und wetten weiter gegen den Euro. Dann, wenn Model bei „anhaltender“ Frankenstärke zu Arbeitsplatzabbau greifen will, nämlich 2012, rechnet z.B John Taylor, Chef und Gründer des weltweit grössten Devisen-Hedge-Funds FX Concepts mit der Parität von Franken und Euro. „Es wird mit Sicherheit eintreten, vielleicht sogar schon früher“. Entsprechend setzt Taylor mehr als 20% seines 8 Milliarden Dollar schweren Portfolios auf den Schweizerfranken. „Ein sehr, sehr, sehr gutes Geschäft“.