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»Entwicklungsländer müssen zu
ihrem Geld kommen«


aus junge welt vom 08.11.04


Entwicklungsländer verlieren jährlich 50 Milliarden Dollar. Netzwerk Steuergerechtigkeit kämpft für gleiche Wettbewerbsbedingungen. Ein Gespräch mit Bruno Gurtner

* Bruno Gurtner ist Volkswirtschaftler und in der Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Hilfswerke (Bern) für internationale Finanzpolitik verantwortlich. Er ist außerdem Mitbegründer des globalen Netzwerkes Steuergerechtigkeit.


F: Nach Schätzung von Finanzexperten sind dem deutschen Fiskus im Laufe der Jahre durch Steuerflucht etwa 600 Milliarden Euro entgangen. Ist Steuerflucht in dieser Größenordnung nur ein deutsches Phänomen?

In Frankreich und Italien ist das ähnlich. Privatleute aus diesen Ländern haben viel Steuerfluchtgeld alleine in der Schweiz deponiert. Beliebt sind auch Luxemburg, Belgien, Österreich und die kleinen Finanzzentren umliegender Länder. Ich denke außerdem an die Kanalinseln oder an Andorra. Und dann gibt es die exotischen Offshore-Zentren in der Karibik, neuerdings kommt auch Singapur hinzu. Vor einigen Jahren hat es kaum ein Dutzend solcher Finanzzentren gegeben, heute sind es 60 oder 70, die nach OECD-Kriterien in diese Kategorie fallen.

F: Welche Rolle spielt die Schweiz?

Die Besonderheit bei uns ist die Unterscheidung zwischen einfacher Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Betrug ist laut Gesetz ein Delikt, einfache Steuerhinterziehung wird nur administrativ verfolgt. Ausländische Steuerhinterzieher bleiben ungeschoren, weil die Schweiz in solchen Fällen keine Rechts- und Amtshilfe leistet.

F: Gibt es Schätzungen, wie viele entzogene Steuergelder in der Schweiz geparkt sind?

Die einen gehen davon aus, daß 40 Prozent des in der Schweiz deponierten Auslandsgeldes im Ursprungsland nicht ordentlich versteuert wurde. Andere sprechen von 80 bis 90 Prozent.

F: Welche ökonomischen Auswirkungen hat es, wenn Steuergelder hinterzogen und woanders geparkt werden?

Zum Schweizer Finanzplatz gehören auch Niederlassungen ausländischer Geldinstitute – wie die Deutsche Bank. Ebenso wie alle anderen betreiben sie das Geschäft mit der Vermögensverwaltung. Der gesamte Bankensektor trägt mit etwa zwölf Prozent zum Bruttosozialprodukt bei, fünf bis sechs Prozent aller Beschäftigten arbeiten in diesem Bereich. Die Vermögensverwaltung ist sehr einträglich, sie deckt vielleicht ein Drittel des gesamten Bankgeschäfts der Schweiz ab.

F: Auch Entwicklungsländer leiden unter Steuerflucht. Welche Auswirkungen hat das dort?

Die Schweiz verwaltet ein Drittel aller Offshore-Vermögen. Demnach dürfte auch ein Drittel aller Gelder, die unversteuert aus Entwicklungsländern abfließen, in der Schweiz landen. Eine Studie der internationalen Hilfsorganisation OXFAM geht davon aus, daß die Entwicklungsländer pro Jahr 15 Milliarden US-Dollar durch Steuerflucht alleine ihrer Bürger verlieren. Fünf Milliarden würden also in der Schweiz landen. Verglichen mit der Entwicklungshilfe von einer Milliarde US-Dollar wäre das ein Verhältnis von eins zu fünf. Für diese Zahl kann ich nicht meine Hand ins Feuer legen. Aber sie zeigt, daß viel mehr Geld abfließt, als die Schweiz an Entwicklungshilfe leistet. Laut Oxfam-Studie verlieren die Entwicklungsländer zusätzlich 35 Milliarden pro Jahr durch schädlichen Steuerwettbewerb und die Praktiken transnationaler Konzerne.

F: Welche Möglichkeiten gibt es, dagegen vorzugehen?

Entweder muß die Schweiz die einfache Steuerhinterziehung strafrechtlich verfolgen oder sie verpflichtet sich, Rechts- und Amtshilfe zu leisten. Außerdem muß der Informationsaustausch zwischen Bankensystem und Steuerbehörden verbessert werden. Dieses Anliegen wird auch in der OECD verfolgt. In der EU scheiterte der vollständige Informationsaustausch an Luxemburg, Belgien und Österreich.

F: Welche Rolle spielt das »Netzwerk Steuergerechtigkeit«?

Globale Probleme müssen global gelöst werden. Das Netzwerk kämpft auf nationaler und globaler Ebene – etwa in internationalen Institutionen – für gleiche Wettbewerbsbedingungen. Wir wollen, daß die Entwicklungsländer zu ihrem Geld kommen, zu ihrem legitimen Anteil an den Profiten der transnationalen Konzerne, die in diesen Ländern tätig sind. Es gibt zur Zeit eine Steuerverlagerung vom Kapital zur Arbeit, von den Großen zu den Kleinen. Diese Entwicklung muß gestoppt und umgekehrt werden.

* Info: www.taxjustice.net