Wie viele Unternehmen in
Steuerparadiese fliehen, um Abgaben zu sparen,
so könnten sie mit Bolkesteins “Herkunftslandprinzip”
ihren Sitz in andere EU-Staaten verlegen, um
die dort herrschenden minimalen gesetzlichen
Vorschriften für die Erbringung von Dienstleistungen
zum Standard zu erheben. Gesetzliche Kontrollen
staatlicher Behörden würden weitgehend
wegfallen, die Gewerkschaften würden sich
bis ins uferlose zersplittern.
Was Bolkestein für Europa androht, findet
seine Ergänzung in der Politik Angela Merkels
für die BRD. Erhöhung der Mehrwert-
und Versicherungssteuer, mehr Beitrag zur Rentenversicherung,
Einschränkungen beim Kindergeld, der Pendlerpauschale,
beim Sparfreibetrag, bei Abfindungen und Zuschlägen
– die Große Koalition CDU/CSU-SPD
setzt nahtlos die Politik von SPD und Grünen
fort. Die Zeichen stehen in Europa auf neoliberaler
Politik. Geben wir mit der geplanten Demonstration
im Frühjahr in Berlin die passende Antwort.
Und
was tun die Gewerkschaften gegen den sozialen
Kahlschlag? Nicht nur die IG Metall und Verdi
setzen auf Ruhe. Der neoliberalen Politik der
zentralisierten, überstaatlichen Gewalt,
die aus Brüssel den einzelnen EU-Mitgliedsländern
übergestülpt wird, stehen die Gewerkschaften,
v. a. in Deutschland, weitgehend zersplittert,
nationalborniert und passiv gegenüber.
Ausnahmen wie die jüngsten Generalstreiks
in Belgien und Italien bestätigen die Regel.
Zu Marx’ Zeiten organisierte die I. Internationale
mehr europaweite Gegenwehr als die (ohn)mächtigen
Gewerkschaftsverbände im Computerzeitalter.
Den politischen und organisatorischen Anforderungen,
die die Angriffe des Kapitals und seiner staatlichen
Helfershelfer auf die Existenzbedingungen der
Lohnabhängigen stellen, hinken sie meilenweit
hinterher.
Umso
wichtiger können die Anstöße
sein, die die Aktionen der globalisierungskritischen
Bewegung geben. Die Demonstration in Straßburg
wird zeigen, was gelebter Internationalismus
ist. Mit ihrem Rückenwind wird auch die
geplante Demonstration in Berlin im Frühjahr
ein Erfolg. Dabei geht es uns in erster Linie
um einen grenzenlosen Kampf für inhaltliche
Alternativen: Das Verbot von Entlassungen ist
eine Forderung der Gewerkschaftslinken aus Frankreich;
Mindestlöhne gibt es bereits in den meisten
EU-Staaten, allerdings meist viel zu niedrig;
das Eintreten für soziale Rechte z.B. auf
Wohnung und kostenlose Bildung sind in anderen
Ländern weit verbreitete Mindestforderungen;
Kapitalismuskritik ist dort kein seltenes Aha-Erlebnis,
das der Ausnahmesituation des Wahlkampfes geschuldet
ist.
Internationalisieren wir den Widerstand,
globalisieren wir unsere Gesellschaftskritik.
Auf nach Straßburg, auf nach Berlin! |