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Barbara Weinhold

Eine trotzkistische Bergsteigergruppe aus Dresden im Widerstand gegen den Faschismus

244 Seiten, Bildteil, Euro 21,00
ISBN 3-89900-110-9
Neuer ISP Verlag

Buchbesprechung in der "jungen Welt"

Ein Buch über eine weitgehend unbekannte trotzkistische Wider-standsgruppe in Dresden ergänzt die Geschichte des Antifaschismus

Mit der Serie »Rote Bergsteiger« erinnerte das DDR-Fernsehen 1968 an den antifaschistischen Widerstand kommunistischer Bergsteiger. Ein bislang weitgehend unbekanntes Kapitel beleuchtet das Buch »Eine trotzkistische Bergsteigergruppe aus Dresden im Widerstand gegen den Faschismus«. Die Autorin Barbara Weinhold wurde auf die Antifaschisten durch den Nachlaß ihrer in dieser Gruppe aktiven Tante Käthchen Kozlecki aufmerksam. Weitere Quellen fanden sich unter anderem in Prozeßakten der Nazis, dem Trotzki-Archiv in Harvard (USA) und in Gesprächen mit noch lebenden Zeitzeugen wie dem Frankfurter Trotzkisten Rudolf Segall.

Vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise und des faschistischen Vormarsches drang zunehmend Politik in die Gruppenabende der in der Vereinigten Kletterabteilung (VKA) der Naturfreunde organisierten Arbeitersportler. Als die Bergsteiger 1930 den Kommunisten Ernst Glaser zum Vorsitzenden wählten, beschloß der sozialdemokratisch dominierte sächsische Gauvorstand die Auflösung der Kletterabteilung. Unter dem Namen Naturfreundeopposition-VKA organisierten sich die kommunistischen Bergsteiger neu.

Besonders aktiv auf politischem Gebiet war die um den Arbeiter und Lehrer der Dresdner Marxistischen Arbeiterschule MASCH Gerhard Grabs gebildete Gruppe in den Dresdner Stadtteilen Loschwitz/Rochwitz. Die durch Freundschaften langjährig verbundenen Arbeiter kamen zumeist aus sozialdemokratischen Elternhäusern. Von der feigen Rückzugspolitik der SPD waren die jungen Bergsteiger abgestoßen und von der ultralinken KPD-Linie, die in der Sozialdemokratie den »sozialfaschistischen« Hauptfeind sah, enttäuscht. »Das starke Anwachsen des Faschismus ließ mich die Frage stellen und schließlich verneinen, ob die von der Partei verfolgte Politik richtig und geeignet sei, die Faschisierung zu verhindern«, erläutert Grabs, der wegen dieser Haltung aus der KPD ausgeschlossen wurde. »Ich ... stand auf dem Standpunkt, daß nur eine über eine Einheitsfront KPD-SPD hinweggehende Aktion die sozialdemokratischen Massen von der reformistischen Führung loslösen könnte.« Antworten fanden sich in Broschüren mit Analysen und Ratschlägen Leo Trotzkis, die der Werkzeugmacher Wenzel Kozlecki aus Berlin mitbrachte. Im Sommer 1932 trat die Loschwitzer Gruppe der trotzkistischen Linken Opposition der KPD bei.

Nach Errichtung der faschistischen Diktatur gelang es der Loschwitzer Gruppe, ihren Zusammenhalt zu wahren. Ihre Widerstandstätigkeit bestand zunächst darin, illegal Tausende Exemplare marxistischer Zeitungen und Broschüren über die deutsch-tschechische Grenze zur Verteilung in mehreren deutschen Städten zu bringen. Später wurden auch Genossen über die Grenze geschleust.

Wenzel Kozlecki und seine Frau Käthchen mußten schon im Sommer 1933 in die CSR fliehen, als ihnen die Gestapo auf die Spur kam. Dort arbeiteten sie für die Internationale Linke Opposition, bis Kozlecki ein von Trotzki organisiertes Visum für Mexiko angesichts des drohenden Einmarsches der Wehrmacht nach Prag Ende 1938 das Leben rettete. Die Loschwitz/Rochwitzer Trotzkistengruppe wurde 1937/38 von der Gestapo zerschlagen. Ihre Mitglieder verbrachten viele Jahre in Gefängnissen und Konzentrationslagern. Unmittelbar nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus beteiligten sich die Bergsteiger am Aufbau eines Antifaschistischen Aktionsausschusses in Dresden-Rochwitz. Die ehemaligen Trotzkisten unternahmen nach 1945 keinerlei Versuche, erneut eine Oppositionsgruppe aufzubauen, sahen mehrheitlich die DDR als ihre Heimat an und hatten Hoffnungen oder Illusionen in den sozialistischen Aufbau. Dennoch geriet Gerhard Grabs in eine antitrotzkistische Hexenjagd, wurde aufgrund seiner Vergangenheit 1951 vorübergehend aus der SED ausgeschlossen und verlor seinen Arbeitsplatz als Direktor der Landesdruckerei Sachsen.

Ergänzt wird die streckenweise etwas zäh zu lesende Arbeit von Barbara Weinhold durch Bildmaterial und einige Originalartikel, unter anderem von Wenzel Kozlecki zur nationalen Frage in der Tschechoslowakei. Dem engagierten Neuen isp Verlag ist zu danken, daß er ein Buch zu diesem doch sehr speziellen Thema verlegt und damit eine Lücke in der Erforschung des deutschen Trotzkismus und des antifaschistischen Widerstands geschlossen hat.